Über die Kraft des Chi ist schon viel diskutiert worden, denn die z.T. unglaublichen Berichte über dieses Phänomen versetzen nicht nur Kampf Sportler in helle Aufregung. Doch was soll man von diesen Berichten halten? Ist Chi-Power nur eine große Lüge oder eine ganz besondere Form des Budo? Diesen und anderen Fragen wollen wir in dem nachfolgenden Bericht nachgehen.
Psychologen definieren Wahnvorstellungen als falschen Überzeugungen, an denen trotz widersprechender Fakten festgehalten wird. So schrieb beispielsweise einmal eine bekannter Psychologe zu diesem Phänomen: „Eine Person, die sich aufgrund einer psychotischen Wahnvorstellung für Jesus Christus hält, wird sich durch die Unfähigkeit, nicht übers Wasser gehen oder Wunder vollbringen zu können, nicht irritieren lassen“.
Keine Frage der Ethik

Dies ist natürlich ein sehr extremes Beispiel. Doch es stellt sich im Zusammenhang mit der Chi-Power natürlich die Frage, was von Kampfsportlern zu halten ist, die die Kraft des Chi – also die innere Energie – kultivieren und sich nicht von ihrer Einstellung, dadurch irgendetwas Ungewöhnliches tun zu können, irritieren lassen?
Eines der Argumente, die in diesem Zusammenhang als erstes vorgetragen werden, lautet, dass es Jahre dauert, diese innere Kraft zu entwickeln und dass – wenn man sie einmal erlangt hat – ihr Gebrauch keine Frage der Ethik ist. Damit wird gleichzeitig aber auch gesagt, dass Menschen, die erfolglos versuchten, Chi-Meister zu werden, zu früh aufgegeben haben. Und es wird damit ebenfalls gesagt, dass jene, die das sog. „Goldene Glühen (Golden Glow)“ erreicht haben, ihr Können deshalb nicht zeigen, weil dies egoistisch und vielleicht sogar gefährlich wäre. Auf jeden Fall ist es mithin völlig unmöglich, Chi tatsächlich in einem Kampf angewendet zu sehen. Wie aber können wir dann dessen Bedeutung innerhalb der Kampfkünste bewerten?
Die einfache Wahrheit
ist, dass wir dies ohne Beweis nicht können. Dass ein Mensch Energie wie eine Art Strahlenwaffe einsetzen kann, können wir ohne entsprechende Demonstration nicht als physikalische Realität akzeptieren.
Im Kampfsportbereich ist die Kraft des Chi aber kein allumfassendes Grundprinzip wie z.B. Gott oder Tao, deren Existenz sich nicht direkt beweisen lässt. Die Kraft des Chi soll eine physikalische bzw. physische Fähigkeit sein – und solche Fähigkeiten sind beim Menschen einfach nachzuweisen, auch wenn sie nicht immer einfach zu erklären sind. Einfach ausgedrückt, der Glaube gebührt den Göttern, Menschen müssen sich beweisen.
Der große Stolperstein

für jene Meister, die sich mit der Kraft des Chi befassen, ist die Auffassung, dass die Demonstration dieser Kraft nichts mit der Ethik zu tun habe. Dies ist eine durchaus legitime, aber auch sehr hinderliche Auffassung. Womit können wir ihren humanitären Bedenken begegnen? Die Antwort auf diese Frage lautet, daß es ebenso unethisch ist, Schülern die Kraft des Chi zu vermitteln, damit diese in einer Notwehrsituation so ihr Leben verteidigen können, wenn die Lehrer nicht einmal beweisen können, dass diese Kraft überhaupt real ist.
Von daher hat die Diskussion über die Kraft des Chi auch immer einen philosophischen Aspekt. Ethik beschäftigt sich mit der Frage, was in zwischenmenschlichen Beziehung richtig und was falsch ist. Letztendlich sind alle Fragen im Kampfsport ethischer Natur. Leben können von dem abhängen, was Kampfsportschulen lehren, was wiederum für Spekulationen sehr wenig Raum lässt. Wir müssen tun, was richtig ist. Und das bedeutet, diejenigen Lehrer abzulehnen, die nicht ehrlich und offen mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten umgehen.
Unsichtbare Macht
Dies ist ein sehr reales Problem im Kampfsport. Jeder kann behaupten, ein „Kung Fu-Superheld“ zu sein. Und wenn wir ihn nicht in die Beweispflicht nehmen, wer dann? Das bedeutet keineswegs, dass wir nun jeden Kampfsportler, dem wir begegnen, herausfordern müssen. Die Moral eines Lehrers ist viel einfacher zu überprüfen.
Man muss ihn einfach fragen, was er weiß, und ihn bitten, dies an einem selbst zu demonstrieren. Ein guter Kämpfer sollte in der Lage sein, jemanden in einem einfachen Trainingskampf zu besiegen, ohne ihm dabei den Schädel zu zertrümmern. Und ein geübter Sportler sollte es mühelos schaffen, jemanden zu werfen und mit einem Griff kampfunfähig am Boden zu halten. Ebenso sollte ein Meister der inneren Kraft diese unsichtbare Macht ganz leicht dazu einsetzen können, einen anderen zu kontrollieren. Kann er das nicht, widerspricht er sich selbst auf so grundsätzliche Weise, dass er kein Vertrauen verdient.
Offenheit ist gefragt
Eine andere Denkrichtung besagt, dass wahre Meister des Chi im Verborgenen bleiben, um so zu verhindern, dass ihre Kunst an bösartige und korrupte Kämpfer weitergegeben wird. Aber bei der Ethik geht es nicht darum, Geheim wissen davor zu bewahren, in die falschen Hände zu geraten. Bei der Ethik geht es vielmehr um Offenheit. Es geht um Meister, die das Beste für ihre Schüler wollen. Dies erreichen sie, indem sie ihnen alles beibringen, was sie selbst wissen. Denn wenn ein Meister seinen Schülern nicht vertrauen kann, dann sollte er diese erst gar nicht unterrichten.
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