Oft wird bei nicht wenigen Sportlern die wichtige Bedeutung des Aufwärm-und Dehnungsprogramms vor dem eigentlichen Training oder Wettkampf missachtet bzw. als Aufgabe des Trainers gerade mal geduldet. Denn in den meisten Fällen freut sich der Sportler nur auf das Training oder den Wettkampf, ist hochmotiviert, kann es kaum noch erwarten und denkt dabei verständlicherweise an alles andere, nur nicht an evtl. auftretende Verletzungen. Und dass er – schlecht aufgewärmt und schlecht gedehnt – auch nicht so leistungsfähig ist, möchte er auch nicht so ganz glauben, da er motiviert bis in die Zehenspitzen – eigentlich „Bäume ausreißen“ könnte.
Ein Mittel gegen diese (rein menschliche) Unvernunft wird es wohl so schnell nicht geben, es sei denn, man zählt die Erfahrung einer einmal erlebten Verletzung (und die daraus resultierende Einsicht!) hinzu. Aber lassen wir diese Weisheiten einmal beiseite und wenden uns dem eigentlichen Thema zu.
Denn für uns gilt es heute die Frage zu klären, wie man sich nach einer Aufwärmphase durch spezielle Dehnungsübungen auf das Training oder den Wettkampf vorbereitet und wie man die Beweglichkeit optimal verbessert?

In diesem Zusammenhang werden zunächst einmal vier verschiedene Methoden unterschieden, die zur Muskellockerung angewendet werden können: Passives Dehnen, aktives Dehnen, Dehnungsmethode nach einer Anspannung (wird auch als postisometrische Relaxation, CHRS/Contract-Hold-Relax-Stretch oder Sherrington I bezeichnet) und Methode der reflektorischen Entspannung des muskulären Gegenspielers (antagonistisch exzentrische Dekontraktion nach Brüggeroder Sherrington II).
Warming-UP & Cool-Down
Es muss noch erwähnt werden, dass sich die Dehnzeiten nach den unterschiedlichen individuellen Anforderungen/Ziele richten. Will man sich z.B. auf eine kommende Leistung vorbereiten (in der Warming-up-Phase), so sollte man nicht länger als 8 Sekunden dehnen, um nicht einen zu intensiven „Erschlaffungsreiz“ zu setzen, der sich negativ auf die darauffolgende Leistung auswirken könnte. Dehnt man aber nach dem Training (Cool-down-Phase) oder ist das primäre Trainingsziel die Verbesserung der Beweglichkeit, so sollte man den Dehnreiz länger halten.
Hierzu gibt es viele Meinungen und viele unterschiedliche Erfahrungen – eine allgemein gültige Empfehlung wird es wahrscheinlich nicht geben, da jeder Körper eben anders reagiert und vor allem doch das subjektive Empfinden entscheidet. Sämtliche hier angegebenen Zeiten können und sollen nur Richtwerte sein, jedoch ist ihre Gültigkeit nicht zu sehr anzuzweifeln.
Passives Dehnen
Das passive Dehnen ist sicher die einfachste Form, den Muskel zu lockern. Hierbei führt man den Muskel langsam bis zum schmerzlosen Endausschlag der gewünschten Bewegungsrichtung. In dieser Stellung lässt man den Muskel mit Unterstützung passiv „verharren“ (vor dem Training 8 -10 Sek., nach dem Training 10-30 Sek.) und führt ihn dann langsam wieder zurück. Nach ca. 20 Sek. Pause wird die Übung wiederholt (insgesamt 3 -4 mal).

Dazu ein Beispiel: Dehnen der Muskeln der (rechten) Oberschenkelrückseite. Dazu legt man sich auf den Rücken, das linke Bein liegt auf dem Boden und das rechte Bein wird mit beiden Händen hinter dem Oberschenkel umfasst und mit gestrecktem Knie (!) nach oben gezogen.
Die Übung lässt sich steigern, indem nach diesem („easystretch“) eine zweite Dehnphase angehangen wird („development Stretch“), in der man versucht, den Bewegungsausschlag noch zu erweitern (ohne vorher in die Ausgangsstellung zurückzukehren).
Aktives Dehnen
Das aktive Dehnen ist einfach durchzuführen, aber eigentlich relativ uneffektiv im Vergleich zu den anderen hier beschriebenen Methoden. Dazu wieder ein Beispiel, bei dem die Brustmuskulatur gedehnt werden soll.

Nach einem Satz Liegestützen kniet man sich zurück in den Fersensitz und zieht ohne sich irgendwo festzuhalten einen oder beide Arme langsam schräg nach hinten hoch (die Daumen zeigen nach hinten). Auf diese Weise wird der Brustmuskel gedehnt. Die Spannung am Bewegungsende wird wieder gehalten, und zwar von den Muskeln selbst, die den Arm in diese Position „aktiv“ ziehen, ohne zu federn (vor dem Training 8-10 Sek. und nach dem Training 10-30 Sek.).
Dehnungsmethode nach einer Anspannung
Diese Methode gehört neben der ersten sicher zu den bekanntesten. Der Muskel wird langsam bis zum Bewegungsende geführt und dann maximal gegen einen Widerstand angespannt. Die Spannung wird 10-15 Sek. gehalten (dabei nicht vergessen, normal weiterzuatmen). Nun wird diese isometrische Spannung gelöst (isometrisch = die Spannung im Muskel wird größer, aber die Länge des Muskels verändert sich nicht dabei).
Dem Muskel werden 2 – 3 Sek. Zeit zur Entspannung gegeben. Danach wird versucht, langsam über das anfängliche Bewegungsmaß hinauszukommen. Am Ende des so erreichten Ausschlages der Bewegung wird wieder zeitlich je nach Ziel gedehnt.
Auch hierzu ein Beispiel, bei dem es diesmal um das Dehnen des Oberarm-Trizeps gehen soll. Ist z.B. das Ziel, den rechten Trizeps (der Muskel, der auf der Oberarmrückseite liegt) zu dehnen, so wird der Arm senkrecht nach oben gehoben, so dass die Innenseite im Ellbogen gebeugt bleibt und die Hand hinter dem Kopf auf den Rücken „fasst“. Die linke Hand umgreift fest den rechten Ellbogen, der rechte Arm drückt nach außen (nach rechts). Die linke Hand hält dagegen (Spannung aufbauen, halten!) und danach zieht – nach einer kurzen Entspannung – die linke Hand den rechten Arm, der dabei möglichst weit im Ellbogen gebeugt ist, nach links hinter den Kopf. Der Oberkörper wird dabei immer gerade gehalten.
Methode der Reflektorischen Entspannung
Dieser Methode liegt die Feststellung zugrunde, dass je mehr man einen Muskel (Agonisten) anspannt, um so mehr lässt ein Gegenspieler (Antagonist) an Spannung nach. Wie also „stresse“ ich meinen Agonisten möglichst hoch, um eine gute Entspannung des Muskels zu erzielen? Die Antwort lautet mit exzentrischer Arbeit (Abbremsarbeit).

Dazu erstmal ein paar erklärende Worte. Wir unterscheiden vier Grundformen der Muskelarbeit: Die isotonische Muskelarbeit (Bei dieser Form ändert sich die Länge des Muskels, aber die Muskelspannung bleibt gleich, sie ist aber ohne ein isokinetisches Gerät – häufig in Rehazentren anzutreffen – praktisch kaum durchführbar), die bereits erwähnte isometrische Arbeit, konzentrische (überwindende) Arbeit (hierbei verkürzt sich die Länge des Muskels. Bsp.: gerader Fauststoß – hier leistet der hintere Oberarmmuskel konzentrische Arbeit, der Ellbogen wird gestreckt) und exzentrische, negative Muskelarbeit, auch Abbremsarbeit genannt (hierbei wird der Muskel gegen seinen eigenen Widerstand gedehnt, es entsteht eine enorm hohe Spannung im Muskel).
Exzentrische Arbeit wird z.B. geleistet, wenn man das Gewicht beim Bankdrücken sehr langsam herablässt oder sich beim Liegestütz ganz langsam dem Boden nähert, statt wie normal-schnell bis explosiv. Diese exzentrische Kraft ist die höchste Kraft, die ein Mensch unter normalen Bedingungen aufbringen kann. Somit nutzt man sie bei dieser Entspannungsmethode, um den muskulären Gegenspieler optimal zu entspannen.
Die exzentrische Kraft ist 45 % größer als die isometrische, und diese ist 5 – 20% größer als die konzentrische Kraft. Die Erklärungen dieser Fachwörter mögen vielleicht etwas verwirren, sind aber notwendig, um die Frage zu beantworten, warum ausgerechnet diese Abbremsarbeit so wirkungsvoll ist. Bei der praktischen Übung ist das „warum“ natürlich fast egal, aber eine solch relativ unbekannte Methode bedarf sicher einer ausreichende Erklärung.
Dies können wir uns beim Dehnen wieder zunutze machen. Dazu ein paar praktische Beispiele. Ziel ist es, die Innenseite des Oberschenkels (Adduktoren) zu dehnen. Hierbei muss man zwischen den langen Adduktor (Musculus Gracilis), der am Unterschenkel ansetzt und nur bei gestrecktem Knie gedehnt werden kann und den restlichen Adduktoren, die am Oberschenkel ansetzen und bei gebeugtem Knie gedehnt werden müssen, unterscheiden. Es wird eine Übung also mit gestrecktem und eine Übung mit gebeugtem Knie durchgeführt (jeweils 3-4 mal).
Nun unser Beispiel: Dehnung des langen Adduktors. Diese Übung wird mit einem Partner durchgeführt. Der Sportler legt sich auf den Rücken und streckt die Beine so weit es geht voneinander weg. Der Partner, der am Fußende kniet, nimmt beide Füße des Trainierenden, hebt sie nur kurz vom Boden ab und drückt die Beine gegen den größtmöglichen Widerstand des anderen zusammen. (Gute Brustmuskelübung). Also der Übende drückt nach außen und der Partner nach innen. Dabei leisten die Abduktoren an der Oberschenkelaußenseite und die Gesäßmuskeln exzentrische Arbeit.

Der Adduktor wird gelockert. Sollte die Kraft des Partners nicht ausreichen, so darf der Übende etwas weniger nach außen drücken, damit die Beine zusammengeführt werden können. Das ganze wird 3 – 4 mal wiederholen; anschließend wird z.B. im Grätschstand versucht, passiv nachzudenken.
Das nächste Beispiel beschreibt die Dehnung der kurzen Adduktoren. Dabei liegt der Übende wieder auf dem Rücken, der Partner kniet neben den gebeugten angestellten Beinen. Der Übende drückt die Knie auseinander (die Füße bleiben stehen), worauf sie langsam nach außen und unten gehen. Der Partner versucht nun, von einer Seite her beide Knie wieder gegen den größtmöglichen Widerstand zusammenzudrücken. Das ganze wird auch wieder 3 – 4 mal durchgeführt. Anschließend wird versucht, z.B. passiv (evtl. mit Hilfe des Partners) die Oberschenkel langsam in Richtung Boden zu dehnen.
Sportler, die im Sitzen mit angewinkelten Beinen ihre Knie nicht auf den Boden legen können, sollten das Dehnen im Sitzen durchführen. Andere, die problemlos ihre Knie im Sitzen ab-legen, sollten sich bei diesem Dehnen auf den Rücken legen, um die Hüfte zu strecken (Knie auch angewinkelt und Beine angestellt!) und gleichzeitig auch einen Dehnreiz zu bekommen.
Hinweis: Die hier beschriebenen Dehnungsübungen setzen natürlich voraus, dass Sie sich vorher entsprechend aufgewärmt haben. Denn denken Sie daran -Muskelzerrungen oder Muskelfaserrisse können Schmerzvoll sein, so dass Sie sich diese Erfahrung besser ersparen.
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