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Wu Wei - Nicht handeln und nichts bleibt ungetan

...nicht handeln und nichts bleibt ungetan, hmmm, heißt das jetzt, man sitzt im Sessel, reläxt und die Wohnung reinigt sich von selbst??? Das wäre schon sehr angenehm, oder? Aber so ist das nicht zu verstehen! Als Erstes versuche ich das Prinzip des Wu Wei in eine kurze Definition zu fassen und dann behandle ich für sie das Thema etwas intensiver.

Wu Wei bedeutet "Nicht-Handeln", "absolutes Handeln", "Handeln durch Nicht- Handeln", letztendlich einfach ausgedrückt "nicht gegen die Natur der Dinge handeln". Unnützer Eifer, falscher Ehrgeiz oder eigenwillige Absichten entsprechen nicht dem Prinzip des Wu Wei.

In seiner Wirkung ist Wu Wei wie Wasser, das beim Fließen seinen Weg über die Steine und um die Felsen herum findet. Bei mechanischer, geradliniger Wirkungsweise werden schließlich meistens die Naturgesetze übergangen, Wasser hingegen wirkt eher auf eine Weise, die aus dem inneren Gespür für den natürlichen Lauf der Dinge erwächst. Um diese Thematik besser zu verstehen, müssen wir uns an dieser Stelle dem Ursprung bzw. der Herkunft dieses Prinzips in der Philosophie zuwenden. Und damit sind wir auch schon beim Daoismus, sie werden jetzt sagen, Daoismus, was ist das jetzt wieder!? Daoismus ist keine Religion, sondern eine althergebrachte Weltanschauung. Kein Mensch kann genau bestimmen, wer in erdacht hat oder aus welcher Zeit er stammt, er gehört zum Wissen der chinesischen Weisen. Es gibt auch keine vorgeschriebenen Rituale im ursprünglichen Daoismus, er findet sich jedoch in veränderter Form in anderen asiatischen Glaubensvorstellungen wieder, wie zum Beispiel dem japanischen Zen- Buddhismus.

Wichtige schriftliche Werke wären zu diesem Thema "Tao und Te", das "Tao Te King" welches dem weisen Lehrer Lao Tse zugeschrieben wird (Obwohl in Wirklichkeit nicht hundertprozentig belegt ist von wem und wann es geschrieben wurde, es wurde nicht als Werk eines bestimmten Autors angesehen, sondern als ein heiliger Text. Bis 1973 waren nur die inhaltlichen Überlieferungen des Philosophen Wang Bi bekannt, welcher sein Werk im 3. Jahrhundert nach Christus geschrieben und mit eigenen Kommentaren versehen hat. In jüngerer Zeit ist eine noch ältere Überlieferung entdeckt worden, die "Seidentexte von Mawangdui".) und das schriftliche Werk von Zhuang Zi mit gleichnamigen Titel. Wenn man Begründer des Daoismus benennen müßte, wäre dies ein schwieriges Unterfangen, jedoch fand ich zu genau dieser Frage immer wieder die Namen von Lao Tse und Zhuang Zi, welche wohl gemeinhin als Begründer des Daoismus verstanden werden. Lao Tse (auch Lao Zi oder Lao Tzu), mit bürgerlichen Namen Li Er, ist historisch nicht faßbar. Man datierte sein Leben etwa auf das 6. Jahrhundert vor Christus, nach neueren Untersuchungen geht man jedoch eher vom 4. Jahrhundert vor Christus aus. Die Tradition beschreibt ihn als älteren Zeitgenossen des Konfuzius (551- 479 vor Christus), der sich am Ende seines Wirkens ins Gebirge zurückgezogen haben soll. Auch die Angaben zu Zhuang Zi (auch Chuang Tse) sind eher dürftig, sein richtiger Name war vermutlich Zhuang Zhou und sein Leben wird auf die Zeit zwischen 396- 286 vor Christus datiert. Er gilt, wie schon oben erwähnt, als Autor des gleichnamigen Werkes, zumindest jedoch der ersten sieben Kapitel.

Was wir heute als Individualismus verstehen, betonen die Lehren des Daoismus schon seit 2000 Jahren. Das Dao ist die natürliche Ordnung der Dinge, der Natur und des Universums und entzieht sich unserer menschlichen Wahrnehmung, es ist ein Teil von uns und wir sind ein Teil von ihm, gleich dem Auge, das sieht, ein Teil von uns ist, aber sich nicht selbst sehen kann. Da wir also ein Teil dieser universellen Ordnung sind, können wir das Dao nie ganz erfassen, geschweige denn mit Worten aussprechen. Zwei wichtige Prinzipien des Daoismus sind das Prinzip von Yin und Yang und das Prinzip des Wu Wei. Yin und Yang ist das Prinzip der Polarität, es geht nicht um den offensichtlichen Dualismus, sondern die harmonische Einheit. Hier an dieser Stelle möchte ich ein Zitat von Lao Tse einfügen um zu verdeutlichen, wie es zu verstehen ist.

Zitat: "Wenn jeder die Schönheit als schön erkennt, gibt es bereits Hässlichkeit. Wenn jeder das Gute als gut erkennt, gibt es bereits Böses. Sein und Nichtsein erzeugen sich gegenseitig. Schwer und Leicht verwirklichen sich gegenseitig. Lang und Kurz unterscheiden sich gegenseitig. Vorher und Nachher folgen sich gegenseitig. (Lao Tse)

Dieses Prinzip ist zwar nicht daoistischen Ursprungs, aber es ist ein wichtiger Bestandteil der daoistischen Philosophie. Alle in Gegensätzen existierenden Eigenschaften kann man Yin und Yang zuordnen (siehe dazu auch auf unserer Tai Chi Chuan- Homepage, die Rubrik zu Yin und Yang). Das zweite wichtige Prinzip im Daoismus existiert im Prinzip des Wu Wei, es erschließt sich im, wie schon am Anfang erwähnt, im "Nicht- Eingreifen", "Nicht- Erzwingen", "Nicht- Handeln", man handelt im Einklang mit der Natur (auch unserer menschlichen Natur) und der universellen Ordnung, man läßt den Dingen ihren Lauf. Die Harmonie des Universums stellt sich ein, wenn alle Dinge ihren Weg gehen dürfen. Der Daoist wendet geringste Energien auf, doch sein Handeln ist das effektivste, mit Mühelosigkeit gelingt es ihm unglaubliche Energien freizusetzen. Ein gutes Beispiel zur Verdeutlichung und zum besseren Verständnis wäre der "Domino- Effekt", dabei befindet sich der Taijiquan- Meister in einem Zustand des Wu Wei, alle Körperteile sind so ausgerichtet, dass sie auf natürliche Weise gemäß unserer Natur als Zweibeiner effektiv funktionieren. Er wird eins mit der Natur, handelt ihr nicht zugegen, fünf oder sechs Assistenten pushen ihn, mit steifen Armen und blockierten Schultern, Hüften und Knien, in den Dantian (gelegen zwei fingerbreit unterhalb des Bauchnabels) und der Meister überträgt den Schub auf den Boden, ein verwunderlicher Effekt folgt... ...es schaut aus wie Dominosteine schubsen...schauen sie sich das ruhig mal an, ein Foto zum Thema und ein paar Zeilen zur näheren Erklärung, gibt es unter http://www.eurotaichi.de !

An dieser Stelle meiner Abhandlung, möchte ich nochmals auf Lao tse und Zhuang Zi zurückkommen, Zhuang Zi definierte die Analogie des Metzgers, dessen Messer immer scharf bleiben, weil er seine Klinge zwischen den Knochenzwischenräumen führt, wo sie mit kaum merklicher Bewegung ohne Widerstand zu schneiden vermag. Er läßt seine Hand von der natürlichen Beschaffenheit der Gewebe und Knochen leiten. Zum anderen möchte ich noch ein weiteres Zitat von Lao Tse anführen:

Zitat: "Nicht vor die Tür hinaustreten, um die Welt zu kennen. Nicht aus dem Fenster schauen, um das Dao des Himmels zu kennen. Umso weiter das Hinaustreten, umso geringer die Kenntnis. Gerade daher, kennt der Heilige, ohne zu gehen, benennt ohne zu sehen und vollendet ohne zu handeln. (Lao Tse)

Zum Prinzip des Wu Wei kann man sagen, auf seiner höchsten Stufe praktiziert, ist Wu Wei unsichtbar, schlicht unerklärlich, da es sozusagen als reiner Reflex in Aktion tritt. Wu Wei führt zu einer Nichteinmischung in den natürlichen Verlauf. Die Welt an sich, befindet sich in einer Harmonie, einem natürlichen Gleichgewicht der Dinge, der universellen Ordnung. Kraft wird nie einer Kraft entgegengesetzt, vielmehr durch Nachgeben entkräftet. Die Zivilisation greift, aus der Sicht der Daoisten, unsinnig, durch handelndes Gestalten in den Lauf der Dinge ein, mit dem Versuch die Dinge unter starren Moralvorstellungen zu verbessern, entsteht nur Chaos, denn handelndes Gestalten bedeutet ein gewaltsames Eingreifen. So, hier jetzt ein letztes Zitat von Lao Tse, bevor ich mich an den Schluß mache...

Zitat: "Will einer die Welt an sich nehmen und an ihr handeln- ich sehe, dass es ihm nicht gelingt. Nun, die Welt ist ein heiliges Gefäß und nicht etwas, woran man handelt. Wer handelt, scheitert dabei. Wer festhält, verliert's. (Lao Tse)

Die Grundfesten des Daoismus unter dem Prinzip des Wu Wei könnte man also folgendermaßen auf den Punkt bringen, ... ...der weise Mensch handelt durch Nicht- Handeln, frei von falschen Gefühlen, wie Habgier, Verlangen, falschem Ergeiz oder Übereifer. Er überläßt den Ablauf der Dinge dem Dao (dem natürlichen "Weg") ohne sich einzumischen, er beobachtet seine Wirkungsweise und macht sie sich zum Vorbild. Das Weiche behält die Oberhand über das Harte (siehe die Erläuterung mit dem Wasser am Anfang dieses Textes). Durch Streben wird nie wahre Weisheit oder Überlegenheit erlangt. Ohne Kraftaufwand geht man nach dem Prinzip des geringsten Widerstandes vor, das ist Wu Wei!

Wu Wei ist die Essenz des Tai Chi Chuan!!! Tai Chi Chuan ist nicht nur eine perfekte Gesundheitsvorsorge sondern auch eine defensive Kampfkunst, die nicht darauf abzielt zu verletzten. Man arbeitet mit der entgegengebrachten Energie des Angreifers, hat also den Vorteil immer auf seiner Seite, weil man seine eigene Energie nicht aufbraucht.

Nachdem was sie jetzt über Wu Wei erfahren haben, stellen sie sich mal ein Treffen zweier Kämpfer mit daoistischer Gesinnung vor. Das wäre interessant, weil der Überlegung nach würden beide Kämpfer abwarten was der andere tut, somit würde es gar nicht erst zu einem wirklichen Kampf kommen. Nach dem Prinzip des Wu Wei hat man die besseren Voraussetzungen, selbst in einer Kampfsituation, man ist frei von Erwartungen, man muss sich nicht entscheiden, nicht planen, sondern nur reagieren. Man handelt ohne Absicht, aber man handelt.........Handeln durch Nicht- Handeln, .......Wu Wei.