Im Nordwesten der USA liegt der Bundesstaat Washington. Die größte Stadt dieses Staates ist Seattle, in der bekanntlich Bruce Lee einige Jahre gelebt und gearbeitet hat. In dieser amerikanischen Metropole lebte auch Jesse Glover, der als Bruce Lees erster Jeet Kune Do Schüler gilt und mittlerweile einige Bücher über die „Legende“ Bruce Lee geschrieben hat.
Wir erzählen die Geschichte von Jesse Glover, dem ersten Schüler von Bruce Lee.
Die Jeet Kune Do Methode
Nachdem er damals bereits erste Erfahrungen in verschiedenen asiatischen Kampfsportarten gesammelt hatte, hörte er im Jahre 1972 von einer Sportschule in Seattle, die als einzige mit den ursprünglichen Methoden von Bruce Lee arbeiten sollte. Außerdem hieß es, Mike Lee würde in dieser Schule unterrichten. Und da auch ihn das „Bruce-Lee-Fieber“ gepackt hatte, machte er sich auf die Suche nach dieser Sportschule.
Kraft und Geschmeidigkeit
Als er sie dann endlich gefunden hatte, hing dort erst einmal nur ein Schild an der Tür, welches für den nächsten Samstag eine Vorführung ankündigte. Aber er war neugierig geworden, und so ging er am besagten Tag natürlich sehr früh zur Sportschule. Sein Einsatz sollte sich lohnen, denn an diesem Morgen erlebte er eine Vorführung von Jesse Glover, die an Kraft und Geschmeidigkeit alles übertraf, was er bis dahin gesehen hatte. Grund genug also, um sich nach dieser beeindruckenden Demo sofort in dieser Schule anzumelden.

Während der folgenden Monate sah er den Mann, dessen Demo ihn so gefesselt hatte, des öfteren in der Sportschule wieder. Jesse Glover hatte eine Art, sich zu geben und zu bewegen, die ihn wesentlich jünger wirken ließ, als er in Wirklichkeit war.
Und so nach und nach erfuhr er, dass Jesse Glover der erste Schüler von Bruce Lee war und somit zu den wenigen gehörte, die das Privileg für sich in Anspruch nehmen dürfen, an der Entwicklung von Bruce Le Methode mitgewirkt zu habe
Erstes Zusammentreffen mit Bruce Lee
Später sollte er auch erfahren, wie die Zusammenarbeit mir Bruce Lee entstand. Als Bruce Lee seinerzeit nach Seattle zog, suchte er jemanden, mit dem er trainieren konnte. Und nachdem Jesse Glover eine Demo von Bruce Lee beobachtet hatte, bat er Bruce ihn auszubilden. Bruce Lee war zu diesem Zeitpunkt erst kurz in den Staaten, und die meisten Dinge des täglichen Lebens – des „American way of life“ – waren ihm fremd. Und so ergab sich zunächst eine Zweckgemeinschaft: Auf der einen Seite unterrichtete Lee seinen amerikanischen Freund, der wiederum auf der anderen Seite Lee bei vielen anderen Dingen half.

Als Bruce Lee nach Amerika kam, galt er in Hongkong bereits als „großer Mann“. Und anfangs war er etwas überrascht darüber, dass das nun in den USA anders war. Und so konzentrierte sich Lee zunächst auf das Training mit seinem Freund Jesse, veränderte und verbesserte seine kämpferischen Fähigkeiten. Außerdem entwickelten beide neue Techniken und Theorien; änderten alte Techniken immer wieder nach neuen Gesichtspunkten.
Spezielle Methode
Einige Leute denken, dass es Jesses Kraft sei, die es einem so schwer machte, sich mit ihm zu messen. Aber dieses täuscht, aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen und seiner ungeheuren Geschicklichkeit, wurde er zu diesem Gegner. Wenn man Jesse das erste Mal in Aktion sah, entstand zunächst der Eindruck, dass seine Kraft nur aus den Armen kommt. Erst viel später erkannte man, dass dies nicht der Fall ist, sondern das sich seine Kraft über Ellbogen, Schultern, Wirbelsäule bis hin in die Beine zum Boden fortsetzte. Eine Methode, die wirklich ein hohes Maß an Geschicklichkeit erforderte.
Effektiv kämpfen
Beim Training legte Glover besonderen Wert darauf, dass die Schüler im ständigen Kontakt zum Partner stehen, wodurch die spontanen Reaktionen geschult und die Techniken immer wieder überprüft werden. Im Lauf der Jahre wurden so extrem schnelle Techniken entwickelt, die mit dem bloßen Auge kaum noch verfolgt werden können.
Mit dem dahinterstehenden Prinzip versuchte Jesse Glover, nur die notwendigen und funktionierenden Techniken in einem neutralen System zu vereinen. Ein System, mit dem es jedem möglich war, effektiv und gezielt zu kämpfen. Dieses Prinzip stand sicherlich auch in der Tradition von Bruce Lee oder von Yip Man, Wong Shuh Leung und William Cheung (die ältesten Schüler in Yip Man Wing Chun Familie).
Die Verbundenheit zu Bruce Lees Methoden
war ein Punkt, den Jesse Glover immer besonders betonte: „Ich hatte das Glück, Bruce Lee kennenzulernen, als er von seiner Art her sehr offen war. Beim Training mit Bruce hatte ich immer das Gefühl, als würde ich gegen jemanden kämpfen, der meine Bewegungen kennt, bevor sie mir selbst bewusst waren. Alles in allem kann ich heute sagen, dass meine wichtigsten Erfahrungen in der Kampfkunst auf Bruce Lee zurückzuführen sind.
Aber nach Jesses eigenen Angaben flössen auch wichtige Aspekte aus dem Judo und der Psychologie in sein Training ein. Und die Konsequenz, die Glover aus seiner langjährigen Arbeit im Bereich der Kampfkünste ableitet, ist einfach, aber gerade für ihn besonders bezeichnend: „Ich hoffe, dass meine Erfahrungen für viele Leute nützlich sind und dass ich sie noch lange weitergeben kann. Aber ich denke, dass letztendlich jeder seinen eigenen Weg finden muss…“
Jesse Glover ist am 27 Juni 2012 im Alter von 76 in Seattle, King County, Washington, USA gestorben.