Wenn Sie ein Karate-Studio betreten, bekommen Sie schon mehr als Sie verlangen. Alle anderen Sportarten und Freizeithobbies führen in der Praxis aus, was sie dem Schüler immer wieder predigen… bei Karate ist das anders. Fangen wir z.B. mit Tennis an. Sie können davon überzeugt sein, dass Ihr Training sich nicht sehr von dem unterscheidet, was nachher auf dem Tennisplatz stattfindet. Bei Karate ist das anders, schon wenn Sie den Fuß in ein Dojo setzen.
Das Image, das sich die Öffentlichkeit gebildet hat, ist die Folge einer sensationslüsternen Werbung und bluttriefender Vorführungen, so dass Sie in dem Augenblick, wenn Sie beschliessen, es einmal mit Karate zu versuchen, im Dojo „die Sensation“ erwarten.
Wo sind die giftigen Fingernägel? Wie lange brauche ich, bis ich einen erwachsenen wilden Tiger erlegen kann? Wann muss ich die geheimen Drachen in meine Arme brennen und die geheimen Gewölbe zauberhafter und verbotener Kräfte passieren?
Bei den meisten, die diesen Sport seriös ausüben, wird dieses Vorurteil mit Geduld aufgenommen. Sie wissen ganz genau, dass die Abenteurer und Tagträumer bald aufgeben und sich auf die Suche nach einem neuen Guru machen, der ihnen verkauft, was sie wünschen. Zum Glück wird der kleine Teil der Überbleibenden bald die Wahrheit kennenlernen und sich an die Aufgabe machen, die Kampfkünste ernstlich im Training, im, harten Training zu erlernen. Ist man erst einmal im Schoss einer Karategruppe, wird der neue Schüler geradezu bombardiert mit einer Welle von neuen Erfahrungen und er wächst behutsam in den zweiten Vorteil der Karate-Szene hinein… die gesellschaftlichen Veranstaltungen.
Die leicht ersichtlichen Vorteile, wie z. B. die körperlichen, gehen dem Schüler leicht ein, er versteht sie gut, und dennoch ruht da ein sekundärer, feinerer Vorteil, der Tag für Tag unter der überwältigenden Betonung des Karatesports als Angriffsmethode fast unbeachtet bleibt. Alle betroffenen Personen sind sich einig in der Anerkennung des Karatesports als Vertrauensschaffer, wenn man das auch nicht zu Beginn erkennt. Doch es stimmt und erweitert die Fähigkeit des Schülers über die der Selbstverteidigung hinaus. Er kann sich schon bald auf das gesellschaftliche Parkett wagen, was er früher nie und nimmer für möglich gehalten hätte. Es gibt da zum Beispiel schüchterne, introvertierte Personen, die alle Bande früherer Angst durchbrechen. Ein junger Mensch, der seine Fähigkeiten vor der Klasse bei Tests zeigen muss, verwendet ganz leicht diese mutweckende Erfahrung, wenn es darum geht, eine junge Dame zum Tanz aufzufordern oder zu einem Rendezvous einzuladen. Nach der Angstphase im Dojo, kommt ihm die Aufforderung zum Tanz oder die Einladung zu einem Rendezvous lange nicht mehr so furchterregend vor. Manchmal ist der Beginn von Karate-Unterrichtsstunden schon ein neuer Schwung im gesellschaftlichen Leben eines jungen Menschen. Er braucht nur mal mit den Lektionen anzufangen und schon wird er automatisch ein fester Bestandteil der gesamten Karateszene. Sein neues Hobby reizt andere Mitmenschen, er wird Gesprächsstoff und mehr Leute interessieren sich für ihn.

„Sie lernen Karate?“ ist eine oft gestellte Frage, wenn auch nicht bös gemeint, an den Karate-Neuling. Aber seine Brust schwillt an, sein Ich klettert ein wenig höher. Man hält ihn schon für einen fertigen Karatekämpfer. Die Belobigungen für den Kämpfer nimmt er gewissermaßen als Darlehen für immer in seine Laufbahn mit.
„Mein Bruder lernt Karate“ sagt ein nettes Mädchen auf einer Party.
„Er hat mir gesagt, dass er einen 20. Grad erreicht hat, aber er übertreibt sicher. Kennen Sie die Ränge der einzelnen Gürtel?“
Alles was er jetzt sagt, gilt als maßgebende Bemerkung des Fachmanns. Na, er übt doch schon so lange Karate, oder etwa nicht? Er muss es doch wissen! Sie erwartet eine verständliche Antwort.
„Na, soweit ich weiß“, beginnt unser junger Held, „ist noch nie ein Karateka oder ein Athlet in einer anderen Sportdisziplin auf einen so hohen Rang wie 20 geklettert.“
Hat er bei ihr den Eindruck nicht verfehlt? Nein, gerade eben ist es ihm gelungen, einen wohlwollenden weiblichen Zuhörer zu angeln. Geschafft! Prima! Wäre ihm das auch ohne Karate gelungen? Vielleicht ja, vielleicht aber auch nein. Nicht alle jungen Menschen sind indessen daran interessiert, neue Damenbekanntschaften zu machen oder ihr Talent in gesellschaftlicher Unterhaltungskunst auszubauen. Trotzdem, aus der gesegneten Langeweile üblicher Wochenendveranstaltungen kann schon der Wunsch geboren werden, mal ein paar Farbtupfer aufzusetzen. Auch hier bietet Karate eine erfreuliche Form gesellschaftlicher Betätigung. Wenn es in der ganzen Stadt nur einen Karateclub gibt, dann kann man wetten, dass es gelegentlich mal ein Karate-Turnier geben wird. Und obwohl es viele nie in Betracht ziehen, gehört zu so einem Turnier mehr als es den äußeren Anschein hat, denn da findet ja nicht nur ein Wettkampf statt. Manchmal finden im Laufe eines Monats ein Dutzend und mehr Turniere statt. Zu jeder dieser Veranstaltungen braucht man aber eine mehr oder minder große Gruppe freiwilliger Helfer. Wie groß die Veranstaltung auch ist, es werden da Menschen mit gemeinsamen Interessen zusammengebracht. Neben dem geschäftlichen Aspekt der Veranstaltung eines Turniers finden so nebenher eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Feiern statt. Das Karateka-Völkchen entwickelt das ungeahnte Talent, alle Gelegenheiten zu nutzen und ein Abendessen oder eine späte Sitzung anzuhängen, in deren Verlauf die Tage vergangenen Ruhms aufgefrischt werden. Wenn dann alles vorüber ist, wird ganz sicher gefeiert, als Dank für alle Mitwirkenden.
Engagement zahlt sich aus
Die meisten Veranstalter von Turnieren sind für Hilfe aus allen Bereichen dankbar, so dass es keine Mühe macht, einen Job zu bekommen. Tatsache ist, dass der Organisator eines Turniers stets knapp an Hilfskräften ist. Hier brauchen Sie nur aufzutauchen, um engagiert zu werden. Wenn man erst einmal am Turnier so oder so beteiligt ist, dann entdeckt man auch seinen gesellschaftlichen Rang im Innern der Karategemeinde ganz schnell, einen neuen Status übrigens… Sie sind OFFIZIELLER, und das beweist sogar ein sinnfälliges Abzeichen. Es ist schon ein schönes Gefühl durch die Sperre am Eingang zu schlendern und zuzusehen wie der Kontrolleur einem freundlich zunickt als ob man ein V.l.P. sei.

Bei den Offiziellen zu sein heißt nicht immer ein Schieds- bzw. Kampfrichteramt auszuüben. Sie können auch Zeitnehmer, Punktezähler (Anschreiber), Schiedsmann, Unparteiischer, Experte für Regelauslegung, Schatzmeister, usw. sein. Und Ihr Gewinn liegt ganz einfach in einem vergnüglichen Wochenende, im Zuschauen bei einem Wettkampf, im Treffen neuer Menschen, im Erfahrungssammeln über die Organisation derartiger Veranstaltungen und vielleicht auch im Treffen einiger Prominenter.
Wenn Ihnen die Teilnahme an Veranstaltungen und Turnieren als Offizieller nicht so ganz zusagt, dann sind Sie vielleicht gar für den Kampf selbst bestimmt. Können Sie es sich vorstellen: Sie selbst auf der Matte, Ihr Gegner auf der anderen Seite und Hunderte von Zuschauern drum herum.
Selbst wenn Sie nicht der Landesmeister oder die lokale Größe sind, ist diese Erfahrung viel wert. Was da an Ihrem Kopf vorbeijagt ist nicht etwa ein weicher Tennisball, sondern ganz einfach die Faust, die harte, gnadenlose Faust oder der fliegende Fuß, den Ihr Gegner bei Ihnen zur Landung angesetzt hat. Der Druck ist schon fast nicht auszuhalten und die Angst bedeutend, aber wenn es dann vorüber ist, ob Sie gewonnen oder verloren haben, dann meinen Sie sicher, Sie hätten eine Fahrt zum Mond hinter sich. Nur wenige Menschen erleben derartige Gefühlshöhepunkte in einem ganzen Leben, schwindelerregend ist das… Sie befinden sich in ihrer artverwandten Klasse, Sie sind Athlet, Kämpfer, Gladiator im gewissen Sinne, und die Gefühlserlebnisse sind schon einmalig.
Die Wettkämpfe sind ja meistens örtlicher Natur, aber wenn man zu Turnieren kommt, dann sind da auch unbegrenzte Chancen zum Reisen und zu Kurzurlauben. In jedem Jahr veranstalten verschiedene Weltorganisationen in vielen Ländern Turniere und in einzelnen Ländern finden nationale und regionale
Die Welt sehen mit Karate
Wenn Ihnen die Karate Weltmeisterschaften zu weit weg stattfinden, oder Sie sich eine Teilnahme in Moskau nicht vorstellen können, dann genügen ja die vielen regionalen und Länderwettkämpfe, die dieselben
grundlegenden Freuden bieten. Es gibt immer fahrbereite Turnierfans, die sich zu Fahrgemeinschaften in Bussen, Privatwagen oder auf dem Motorrad zusammenschließen. Schon unterwegs ist die Atmosphäre großartig und voller neuer Aussichten. In Bussen und Privatwagen planen nervöse Athleten ihren letzten strategischen Schachzug oder schauen sich auch nur die vorbeirauschende Landschaft an, was sicher viel amüsanter ist, als auf die üblichen Wochenendgerichte bei „Muttern“ zu schauen. Wochenendreisende kommen in den Genuß von Pauschaltarifen in den Hotels, und oft schaffen Bekanntschaften in fernen Städten den Raum für neue Wochenendfreunde. Die Kosten sind gar nicht so hoch.
Bei diesen Fahrten kommen überraschenderweise immer wieder dieselben Gesichter zum Vorschein. Wenn unterwegs mal angehalten wird, trifft man wie zufällig andere Turnierkämpfer und Schlachtenbummler in der Raststätte, und bald entwickelt sich eine herzliche Freundschaft, eine Art gegenseitige Allianz aller Reiseteams mit ihren Fans. Es wird geflachst, besonders unter rivalisierenden Gruppen, und so taut langsam aber sicher das Eis.
Es geht dann schon ohne formelle Vorstellungen, da die Gesichter bekannt sind und Erinnerungen an spannende Kämpfe zwischen verschiedenen Schulen und Stilarten wachrufen. Ist es nicht sonderbar, wie die aggressivste Sportart diese echten Freundschaften zu formen weiß. Die meisten Leute sind der Ansicht, dass bei der ganzen Kämpferei und der Wettbewerbsätmosphäre die Aktiven sich richtig feindlich gegenüberstünden. Das ist sicher manchmal der Fall, aber viel häufiger bringt die Meinungsverschiedenheit die Fans in Schwung. Das ist Gottseidank nicht so oft der Fall. Es gehört sicher sehr große Selbstbeherrschung dazu, sich bei den Kicks und Schlägen nicht hinreißen zu lassen, denn im echten Wettkampf ist das nun mal das magnetische Band, das die Freunde dieses Sports so zueinanderkommen lässt. Oder es ist die Tradition erlernter Achtung vor dem Gegner, die in den langen Jahren der Entwicklung und Ausdehnung des Karatesports von Generation zu Generation weitergereicht wurde.
Was auch der Grund sein mag, die Karateübungen bringen eine Atmosphäre, die zu einer wohl einmaligen Form gegenseitigen Respekts und letztlich zu Freundschaft führt. So erzeugt ein Sport, der das Kämpfen und den harten Wettstreit lehrt neben seinem Hauptziel, dem der Selbstverteidigung, viele weitere nützliche Vorteile für den jungen Menschen. Das Wichtigste aber ist und bleibt das Erlernen korrekten Verhaltens in kritischen Situationen, wie sie im Dojo durchgespielt werden.
Wenn ein Karate-Studio seine Pforten in einer Stadt öffnet, dann lernen nicht nur eifrige Menschen die Kunst der Selbstverteidigung, sondern die Stadt wird auch um einen gesellschaftlichen Pluspunkt reicher, der sich mit seinen lokalen Konkurrenten gut und gern messen kann.
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