Traditionelles Okinawa Kobudo

Weil es zu Zeiten der Feudalherrschaft strikt verboten war, Waffen zu tragen, kamen die Bewohner der Insel Okinawa auf die Idee, die Werkzeuge, die sie bei ihrer alltäglichen Arbeit benutzten, zur Verteidigung einzusetzen. So wurde das Kobudo geboren. Shinpo Matayoshi war einer der größten Meister dieser Disziplin.

Es gibt Meister und Meister. Die sehr zurückhaltenden sind oft die bemerkenswertesten. Dies war zum Beispiel bei Shinpo Matayoshi (10. Dan) der Fall. Er war einer der größten Experten des Okinawa-Kobudo. Shinpo Matayoshi, die Verkörperung der Kampfkunst, wurde 1921 in Yomitan, einem kleinen Dorf auf Okinawa, ungefähr 20 Kilometer von Naha entfernt, geboren. Im Gegensatz zu dem Mystizismus, der sich auf den Gesichtern mancher seiner Zeitgenossen festgesetzt hat, zeigte Shinpo Matayoshi immer eine gute Portion Humor und Lust am Leben. Ein bemerkenswerter Meister, der damals mit knapp 66 Jahren den 10. Dan besaß, während viele seiner älteren Weggefährten noch nicht einmal den 7. Dan hatten.

Bereits ganz jung…

Okinawa Kobudo

Der Lebensweg des Matayoshi Sensei ist allerdings ganz und gar nicht in gewöhnlichen Bahnen verlaufen. Sein Vater war daran nicht ganz unbeteiligt. Dieser, Shinko Matayoshi, hatte ebenfalls schon seit seiner Kindheit den traditionellen Waffenkampf in Okinawa erlernt. Er hatte sich mit chinesischen Heilverfahren und hier besonders mit Akupunktur vertraut gemacht und wurde ein anerkannter Experte. 1947 starb er und hinterließ seinem Sohn die Aufgabe, die Tradition fortzuführen und seinerseits das Okinawa-Kobudo zu unterrichten, das er mit solcher Passion betrieben hatte. Diese Leidenschaft hatte er seinem Sohn seit dessen 7. Lebensjahr weitergegeben.

So musste der junge Shinpo Fußschläge mit der Getta, den japanischen Sandalen mit gusseisernen Sohlen, trainieren. Immer unter der Aufsicht seines Vaters, der ihn durchschnittlich 2 Stunden täglich arbeiten ließ, machte sich Shinpo mit Karate, Shorin-ryu und Goju-ryu vertraut. Manchmal geschah dies sogar unter der „Zuchtknute“ des Seiko Higa. Zuerst war das Training darauf ausgerichtet, mit Laufen, Sprüngen und Basisübungen den Körper in Form zu bringen. Danach ging es in dem gleichen Maße wie die Form anstieg um die Handhabung der 28 Waffen, die die komplette Waffensammlung eines Kobudo-Praktikanten umfasst. Als Shinpo Jugendlicher war, verlängerte sich das Training um eine zusätzliche Stunde: 60 Minuten, in Schweiß und Blut, am Rande der Ohnmacht, an manchen Tagen noch schwieriger als gewöhnlich.

Spirituelles Verhalten

Training Kobudo

Aber das Leiden ist oft auch die Quelle von Reflexionen und Überlegungen – und über die wörtliche Übersetzung des Wortes „Kobudo“ hinaus, das „Alte Kampfkunst“ bedeutet, verstand Meister Matayoshi das Kobudo ebenso auch als die Kunst, ein bestimmtes spirituelles Verhalten im Kampf an den Tag zu legen. Wie die Geschichte weiß, wurde die Insel Okinawa mehrmals von den Chinesen und dann von den Japanern erobert. Die Eingeborenen, Opfer der Fremdherrschaft und mit einem Waffenverbot belegt, haben daraufhin ihre Arbeitsgeräte als Waffen benutzt.

Dies war das einzige Mittel und die einzige Möglichkeit, eine Verteidigung zu organisieren und den Aggressoren zu begegnen, ohne ihren Argwohn zu wecken. Zu dieser Zeit war das Verhältnis Lehrer/ Schüler ein sehr vertrautes und das Training war besonders hart. Man trainierte im Versteck, oft genug in der Nacht, und immer sehr realitätsbezogen, immer vor dem Hintergrund, dass es ein Kampf um Leben und Tod sein könnte. So ist das Okinawa-Kobudo entstanden, eine wirklich einzigartige Kunst auf der Welt: Als Hoffnung für eine unterdrückte Bevölkerung, ist sie von Generation zu Generation weitergegeben worden, bis in unsere Tage hinein, wo sie einen unvergleichlichen kulturellen Reichtum darstellt. Anfänglich entwickelt mit altherkömmlichen Werkzeugen und aus dem unbändigen Wunsch heraus, zu überleben, ist das Kobudo heute Bestandteil der Okinawa-Kultur. Es gibt heute auf der Insel an die 3000 Kobudoka. Der Inselname steht bei allen Kampfkunstanhängern für Courage und Authentizität.

Die Reise des Shinko

Anfang des letzten Jahrhunderts unternahm Shinko Matayoshi zur Vervollkommnung seiner Kampfkunstkenntnisse eine Rundreise, die ihn nach Hokkaido, Salchaline, die Mandschurei, Schanghai, Fukushu und Annan brachte. In der Mandschurei lernte er, da er mit einem vagabundierenden Reiter unterwegs war, die Reiterei, das Beherrschen des Messerwerfens und den Lassowurf. In Shanghai brachte ihm der alte Meister Kingai die Kunst des Tinbei, Suruchin und Nunti bei – ebenso chinesische Heilpraktiken und Akupunktur. 1935 kehrte Shinko Matayoshi nach Okinawa zurück, ließ sich in Naha nieder, um mit den Meistern die Kampfkunst zu studieren. Man gab ihm den Namen „Sichelhand“ oder Mateshi Senbaru. 1947, im Alter von 59 Jahren starb er zum Bedauern so vieler seiner Schüler, Anhänger und Freunde.

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