Die wirkungsvollste Art der Stock Verteidigung im Budosport
Spricht man über Budosport, so denkt jeder in erster Linie an die hohe Kunst der waffenlosen Selbstverteidigung; Karate, Taekwon-Do, Kempo, Judo, Jiu-Jitsu, Aikido, Hapkido usw. sind bestens bekannt und haben in aller Welt eine große Anhängerschar gefunden.
Dass es darüber hinaus noch asiatische Kampfwaffensysteme gibt, ist nicht so verbreitet. Zwar wurden mit dem Aufkommen der sogenannten ‚Eastern‘-Filme fast in Vergessenheit geratene Abwehrgeräte wie z. B. Nunchaku, Sai und Tonfa wieder populär, doch es blieb weiter im Dunkeln, dass sich dahinter auch ein umfassendes System der Selbstverteidigung mit Hilfe von Waffen bzw. waffenähnlichen Gegenständen verbirgt: das „OKINAWA KOBUDO“.
Der Mangel an einschlägigen Bodenschätzen wie z. B. Eisen oder Kupfer und das seit Anfang des 17. Jhds. von chinesischen und japanischen Besatzern ausgesprochene Verbot des Waffentragens führten dazu, dass sich die Bewohner der Insel Okinawa wieder auf einfache Gebrauchsgeräte besinnen mussten, um sich gegen die Eindringlinge zur Wehr zu setzen. Nachdem in den früheren Jahrhunderten auch noch chinesische ZEN-Buddhismus Mönche nach Okinawa immigrierten und mit ihnen ein schon ausgereiftes Waffensystem (darunter die Vorläufer von z. B. Nunchaku und Sai) kam, entstand in den Folgejahren das ‚Okinawa Kobudo‘ als umfassende Kunst, sich mit Geräten, die aus den täglichen Gebrauchsgegenständen entwickelt wurden, zu verteidigen.
Das System der Stockverteidigung
Von all den bekannten KOBUDO -Waffen wie z. B. noch Nicho-Gama, Naginata, Manriki-Gusari, Gusari-Kama, Shuriken, Tetsu-Bishi oder Kyoketsu-Shogi ist die ursprünglichste und auch mit am schwierigsten zu handhabende der einfache Stock.
Während die meisten Stilrichtungen des Stockkampfes (andere Namen sind: BOJITSU, BO-KA-RATE, JOJETSU) als
Spezialtechniken innerhalb anderer Budosportarten angesiedelt sind (in erster Linie sind hier das NINJUTSU und die ältere Form des JIU-JITSU zu nennen), gibt es ein Budosystem, das eigenständig zwischen den übrigen asiatischen Stilrichtungen besteht: KUKISHIN RYU – das umfassende System der Stockverteidigung.
Stockarten im Kukishin Ryu
Es gibt aus der Geschichte des KOBUDO her nur vier Grundtypen von Stöcken:
- Der BO ist etwa 182 cm lang und hat einen Durchmesser von ungefähr 3 cm.
- Der JO hat eine Länge von 130cm und ist ca. 2,2 cm dick.
- Der HANBO hat ungefähr die Maße eines Spazierstockes: 92 cm lang und ca. 2 cm im Durchmesser.
- Der TESSEN ist ein ca. 1 cm starker und 30 cm langer Stab.

Die Sportart Kukishin Ryu befasst sich mit all diesen Stockarten. Hauptsächlich kommt der HANBO zur Anwendung, er steht in der Praxis stellvertretend für einen Spazierstock oder einen Regenschirm.
Kukishin Ryu Aufbau
Der Aufbau dieser Sportart ist ähnlich dem anderer Budoarten. Die Prüfungsordnung bis zum 1. DAN (SHODAN) sieht vor:
Grundstellungen und -haltungen (14),
Einzeltechniken (40 mit Variationen),
Kumite (insgesamt ca. 124)
KATA (4 mit dem HANBO, 1 mit dem JO, 1 mit dem BO).
Eine besondere Erwähnung bedürfen die Kumite. Darunter versteht man die Partnertechniken, bei denen der Verteidiger sich aller Art von Angriffen erwehren muss. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Kumite: die karatemäßigen KATAI-KUMITE, bei denen der Stock vorwiegend als Schlag- bzw. Stoßgerät verwandt wird und zusätzlich mit Händen oder Füßen Karatetechniken ausgeführt werden.

Als zweites gibt es die JU-KUMITE, die sich durch ihre weichen, geschmeidigen Bewegungen auszeichnen, wobei der Stock hauptsächlich als Hebel benutzt wird; hier kommen auch Judowürfe und reine JlU-Jitsu Techniken vor.
Als Angriffe werden in den einzelnen Gruppen der Kumite unterschieden:
Faustangriffe, Fußangriffe (mae-geri und mawashi-geri), Arm- und Stockhalten, Reversgriffe und Festhalten von hinten, Angriff zweier Gegner (sowohl beide Male mit der Faust als auch abwechselnd mit Faust und Fuß).
Die Kumite mit dem BO unterscheiden sich in besonderer Weise von denen mit dem HANBO. Aufgrund dessen Größe und Gewicht ist er nicht für alle Art von Abwehrtechniken geeignet. Darüber hinaus treten bei ihm besonders große Schlag- und Impulskräfte auf. Deshalb hat der Angreifer seinerseits einen HANBO, damit durch Auftreffen des BO keine Verletzungen entstehen können.
Schließlich bedürfen noch die KATAME-KYO eine Erwähnung; das sind sogenannte Halte- oder Fesselgriffe auf dem Boden. Nach erfolgreicher Abwehr soll der Gegner damit am Boden festgehalten werden. Ihre Entsprechung finden sie in den KUMI-KYO, den Transportgriffen, die zur Erreichung des NIDAN (2. DAN) beherrscht werden müssen.
Grundregel im KUKISHIN RYU
Man kann einen Gegner nicht beherrschen, wenn man sich selbst nicht unter Kontrolle hat. Der Stock muss ein Teil des eigenen Körpers werden. Bei den verschiedenen Bewegungen und Techniken darf er nicht wie ein Fremdkörper in den Händen gebraucht werden. Dies ist die Grundregel im KUKI-SHIN RYU.

Um wirksam die Verteidigung mit dem Stock zu erlernen, bedarf es einiger Voraussetzungen. Der eigene Körper muss in jeder Bewegungsphase kontrollierbar sein. Dazu gehören Kondition und Gleichgewichtsbeherrschung, Atmungstechniken und Konzentrationsübungen sowie Kraft und Geschmeidigkeit. Dies soll der Sportler zuerst lernen. Es ist dasselbe Training wie bei den anderen Budo Sportarten; ernsthaftes und gewissenhaftes Üben führt zu diesem Ziel.
Wenn der Körper sowohl physisch als auch psychisch beherrscht wird, beginnt man mit der eigentlichen Stockarbeit.
Im Vordergrund stehen Übungen, mit denen man Form, Ausmaße und Gewicht des Abwehrgerätes in Einklang mit den Körperbewegungen bringt. Dazu helfen Balanceübungen mit dem Stock, das Erlernen von Stockschwüngen, -Schlägen und -stoßen und auch das blitzschnelle Zugreifen nach fallenden Stöcken. Es würde zu weit führen, alle möglichen Übungen hier zu beschreiben. Man darf jedoch diese Art der Vorbereitung nicht unterschätzen; selbst bei Fortgeschrittenen gehören sie zum Pflichtrepertoire bei jedem Training!
Schließlich beschäftigt man sich mit der Koordination von Körperbewegungen, Fußstellungen, Stockbewegungen oder -haltungen und Zielbewegungen am Körper des Angreifers. Nur ein reibungsloses Zusammenspiel aller dieser Komponenten ergibt eine wirkungsvolle Stockverteidigung.
Eine effektivste Selbstverteidigung
Insgesamt betrachtet ist KUKISHIN RYU die Sportart, die die Anwendung eines Stockes bei der Selbstverteidigung lehrt. Sie kann mit allen Arten von Stöcken oder stockähnlichen Waffen (Spazierstock, Regenschirm, Kugelschreiber, Bleistift usw.) ausgeübt werden. Das KUKISHIN RYU gibt dem Schüler alle möglichen Arten der Benutzung eines Stockes zur optimalen und effektivsten Selbstverteidigung an die Hand. Es genügt bei weitem nicht, einfach einen Stab zur Hand zu nehmen und damit auf einen eventuellen Angreifer einzuschlagen; die richtige Handhabung, die richtige Stellung und Körperhaltung, die geeignetsten Angriffsziele und Kombinationstechniken wie Hebel und Befreiungsgriffe müssen erlernt werden.
Budo mäßig betrieben ist es eine schwierige, aber abwechslungsreiche und interessante Sportart. Für bereits geübte Budosportler anderer Richtungen stellt KUKISHIN RYU die sinnvolle Ergänzung