Um die Faszination und die Anziehungskraft, die die Hieb- und Stichwaffen gerade auf den Mann ausüben, verstehen zu können, ist es nötig, sich einen kurzen Einblick in die Geschichte dieser Waffen, weit über Kung Fu hinaus, zu verschaffen.
Unbestreitbar stehen gerade diese Waffen in einer engen Beziehung zur menschlichen Entwicklung. Stand in der Urzeit noch das Erschlagen des Gegners mit Steinen oder Keulen im Vordergrund (Körperkraft), führte die Erfindung des Messers zu einer Verschiebung der Kräfte, da seine erfolgreiche Handhabung größere Geschicklichkeit erforderte.
Machtbereich erweitern
Mit dieser ersten Stichwaffe, die anfangs noch aus Feuerstein gefertigt wurde, konnte ein geschickter Kämpfer seinen persönlichen Machtbereich erweitern, obwohl er seinem Gegner an Kraft unterlegen war. Mit dem Aufkommen der ersten Schwerter wurde diese Verschiebung „Körperliche Geschicklichkeit – Körperkraft“ noch deutlicher.
Mythen und Sagen
Den Menschen der damaligen Zeit war dieser (physikalisch erklärbare) Kraftzuwachs, den diese Waffen lieferten, jedoch so unheimlich, dass sie ihnen ein geheimnisvolles Eigenleben und Zauberkraft nachsagten. In den Mythen und Sagen aller Völker kam besonders den Hieb- und Stichwaffen große Bedeutung zu; so soll es Klingen gegeben haben, die von selber gefochten haben, oder das Blut des Feindes wittern konnten. Und hatten sie einmal die Witterung aufgenommen, nur mit diesem Blut, in die Scheide zurück gesteckt werden durften.

Da man an ein Eigenleben glaubte, gab man ihnen blutrünstige Namen, sprach mit ihnen und verehrte sie. In einigen Kulturen galt das Schwert als Zeichen absoluter Macht und das Tragen desselben als ein Vorrecht privilegierter Schichten (z. B. den Samurai). Um den Charakter eines Schwertes zu beschreiben, verglich man es z. B. mit einer blitzschnell zupackenden Schlange oder einer gefährlich züngelnden Flamme.
Uralte und geheime Riten
Den Schwertschmieden wurden magische Fähigkeiten und Kontakte zu übersinnlichen Wesen, sei es im Guten oder im Bösen, nachgesagt.
Sie stellten die Klingen nach uralten geheimen Riten her und versahen sie mit Zaubersprüchen oder Siegesrunen. Bei den Wikingern glaubte man, dass einem Schwert, das die Tyr Rune (|) trug, kein anderes Schwert widerstehen konnte. Einen ausgeprägten „Blutdurst“ schrieb man dem Richtschwert zu. Den Legenden nach sollen diese Klingen schon Tage vor der Hinrichtung ungeduldig gezittert haben. Und tatsächlich hat man bei einer Besichtigung solcher Waffen das Gefühl, dass die bedrückende Atmosphäre, die von ihnen ausgeht, bis in unsere Zeit hin spürbar geblieben ist.

Um zu vermeiden, dass sich die negativen Eigenschaften der Delinquenten bei der Hinrichtung auf die Klinge übertrugen, wurde in manchen Ländern die zur Enthauptung benutzte Klinge mit dem Hingerichteten bestattet. In manchen asiatischen Ländern wurden zeitweilig zur Hinrichtung sog. Einmalschwerter aus Bambus benutzt, oder man nahm aus praktischen Erwägungen das Schwert des Delinquenten.
„Kampfgerechter Umgang“
Mit dem Aufkommen modernerer Waffen wurde auch das Schwert als Waffe aus unserer Zeit verdrängt, als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder eines KUNG FU Standes, gerade im militärischen Bereich, steht es nach wie vor an erster Stelle.
Der „kampfgerechte Umgang“ mit dem Schwert wird jedoch nur noch von wenigen Gruppen geübt. Einen Teil dieser Gruppen stellen hierbei besonders die japanischen und chinesischen Kampfkünste. Da über die japanische Schwertkunst in der Vergangenheit schon mehrfach berichtet wurde, soll an dieser Stelle auf die chinesische Fechtkunst eingegangen werden.
Die hervorragende Waffe des alten China
Genau wie in den anderen Kulturen erkannten auch die Chinesen sehr früh den kampftechnischen Wert des Schwertes. So finden sich schon in den ersten Aufzeichnungen über die chinesischen Kriegskünste Hinweise auf Schwerter in den verschiedensten Formen. Auch in China glaubte man an eine mystische Kraft, die von diesen Waffen ausging und beachtete bei der Herstellung einzelner Waffen ein festgelegtes Ritual. Das Material dieser Waffen ließ allerdings zu wünschen übrig und ein so hoher Qualitätsstandard, wie er bei den japanischen Schwertschmieden Norm war, wurde nie erreicht.
Hauptwaffe der Kampfkunst
Im Gegensatz zu den Gegenständen, die zunächst für die Jagd oder zur Arbeit auf dem Feld oder im Haus eingesetzt wurden (z. B. Dreschflegel, Eggen, Schaufeln usw.), ist das Schwert von Beginn an für den Einsatz bei kriegerischen Auseinandersetzungen entwickelt worden. Aufgrund seiner sehr guten Einsatzmöglichkeiten wurde das Schwert, neben der Hellebarde und dem Speer, zu einer Hauptwaffe der Kampfkunst.
Wie hoch der Wert des Schwertes im Kampf eingeschätzt wurde, belegen die schriftlichen Aufzeichnungen Generals Ch’i Chi Kuang, der im 14. Jahrhundert die sog. Mandarin Enten Formation erfand, die sich aus den folgenden Waffengattungen zusammensetzte: Ein Schild, ein Rohrschild, zwei Wolfshellebarden, zwei Langlanzen und zwei Schwerter.

Um nun die zur Verfügung stehenden Soldaten den einzelnen Waffengruppen zuzuordnen, bediente sich der General einer einfachen Methode. Er beurteilte die Soldaten nach Gesundheit, Aussehen, Tatkraft und Körperkraft und ordnete sie wie folgt zu: Junge Kräftige für den Rohrschild. Robuste, Kräftige und Hochgewachsene für den schweren Schild und die Wolfshellebarden, Flinke Blutrünstige für die Langlanzen und Schwerter.
Die Besten unter den Besten
Bei den Soldaten für die Kurzwaffen achtete man besonders darauf, die Besten unter den Besten auszusuchen, „Sind Körper und Hände ungelenk und die Augen leblos, sind die Leute unbrauchbar“. Um den Ausbildungsstand der Fechter festzustellen, ließ man diese gegen mit Spießen und Wolfshellebarden bewaffnete Soldaten antreten. Waren diese nicht in der Lage, die Fechter auf Distanz zu halten, galten diese als erfahren.
„Kopftrophäen“
Bei Kampfaktionen stand den Fechtern das zweifelhafte Privileg zu, dem besiegten Gegner den Kopf abzuschlagen und diese sog. Kopftrophäen nach dem Kampf zur Ausrechnung der Prämien abzuliefern. Allen anderen Waffengruppen war das Nehmen von Kopftrophäen im Kampf unter Androhung der Todesstrafe untersagt.
Theoretiker ohne Kampferfahrung
Was nun die Technik der Fechtkunst angeht, kritisierte Ch’i Chi Kuang schon im 14. Jahrhundert, dass zu viele Theoretiker ohne die nötige Kampferfahrung als Lehrer tätig sind, dass die sog. „Helden der Fechtkunst“ ihr Wissen nicht weitervermitteln und die Methoden der Fechtkunst zwar zahlreich, Darlegungen über die Geheimnisse dieser Methoden jedoch äußerst selten sind.
Diese Kritik hat heute stärker als in früherer Zeit Gültigkeit, da es weder kampferfahrene Lehrer gibt, noch eigene‘ Erfahrungen im Kampf gemacht werden können. Wobei mit Kampf nicht Scheingefechte nach Regeln, mit stumpfen Waffen oder gepolsterten Kämpfen gemeint ist, sondern vielmehr der echte Kampf, der möglicherweise eine schwere Verletzung oder gar den Tod zur Folge hat.
Will man sich trotz dieser wesentlichen Einschränkung mit dem chinesischen Schwertkampf beschäftigen, muss man zuvor eine Einteilung in zwei Kategorien vornehmen.
Das Schwert
Da wäre zunächst das Schwert. Unter den Begriff Schwert fallen (vereinfacht gesagt) alle Waffen mit einer geraden, doppelschneidigen Klinge.

Im alten China wurden dem Schwert die Charaktereigenschaften des Feng (Phoenix), einem Fabelwesen aus der chinesischen Mythologie, nachgesagt. Nach Ansicht der Chinesen verkörpert der Feng Schönheit, Stolz und Präzision. Diese Eigenschaften wurden auf die Techniken des Schwerts projiziert. Bei korrekter Griffhaltung liegt das Schwert fast schwerelos in der Hand und eignet sich sowohl für Schnitt- als auch für Stichtechniken.
Waffe der Herrscher
War das Schwert in früherer Zeit die Waffe der Herrscher und Gelehrten, die es aufgrund seines edlen Charakters schätzten und verehrten, wurde es mit fortschreitender Zeit immer mehr zu einer von Frauen bevorzugten Waffe, da seine Beherrschung keine große Körperkraft voraussetzt.
Durch die beidseitige Schnittfläche wird ein sehr schneller Richtungswechsel ohne den beim Säbel nötigen Körpereinsatz ermöglicht. Das gerade Schwert wird heute hauptsächlich von den inneren Kung Fu Stilen benutzt und hier wiederum besonders von den verschiedenen Thai Chi-Schu-len. Durch seine durchgehend runden Bewegungen fügt es sich ideal in die Harmonie-Vorstellungen der Tai Chi-Stile ein.
Nach Ansicht der Tai Chi-Meister wird durch das Ausüben der Schwerttechniken der Geist angeregt und erweitert, da es sich bei korrekter Haltung in die Energiebahnen des Körpers einfügt. Zwar besitzen auch der größte Teil der äußeren, harten Kung Fu-Stile Formen mit dem geraden Schwert, jedoch wird in diesen Schulen meist dem Säbel der Vorzug gegeben.
Der Säbel
Die zweite Kategorie bildet der Säbel. „Der Säbel ist wild wie ein Tiger“, sagt man in China und meint damit die äußere Erscheinung des Säbels im Kampf. Der Tiger gilt als aggressiv, mutig, explosiv und strahlt durch seine fruchtlose innere Natur Macht und Gefahr aus. Diese Eigenschaften sollte sich auch ein Schüler, der den Säbel beherrschen will, zu eigen machen. Im Gegensatz zum Schwert hat der Säbel nur eine Schnittseite, der Säbelrücken ist auf der gesamten Länge stumpf. Anders als beim Schwert, wird im Kampf mit dem Säbel der ganze Körper eingesetzt, wodurch der einzelne Schlag eine enorme Wucht erhält.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde aus den anfangs eher groben Säbelformen, die durch ihr teilweise sehr großes Gewicht nur schwer zu handhaben waren, eine Waffe, die durch eine fast perfekte Aerodynamik und Ausgewogenheit ein Höchstmaß an Geschwindigkeit und Effektivität bietet. Jedoch eignet sich der Säbel aufgrund seiner Form nur bedingt zum Stechen, vielmehr ist er eine Hieb- und Schnittwaffe.
Der heute am weitesten verbreitete Säbel ist der Dam Dao (Einfacher Säbel), auch als Pflaumenblütensäbel bekannt. Seinen Ursprung soll der Darn Dao im Norden Chinas haben, jedoch gibt es keine genauen Aufzeichnungen darüber.
Obwohl der Darn Dao aus dem Norden stammen soll, haben sich auch die südchinesischen Kung Fu Schulen den Darn Dao für ihre Zwecke zu eigen gemacht. Die heutige Form des Darn Dao steht stellvertretend für die große Skala der chinesischen Säbel und lässt sich wie folgt beschreiben.
Die Form des Darn Dao
• Das Reinigungstuch
In frühen Zeiten wurde ein Stück Stoff am Griffende angebracht. Im Falle eines Kampfes ließ sich der Stoff leicht entfernen, um eine Behinderung des Kämpfers zu vermeiden. Diente dieser Stoff früher zur Reinigung der Waffe nach einem Kampf, so hat er heute nur noch eine dekorative Funktion. Aus praktischen Überlegungen hatte dieser Stoff früher meist eine rote Farbe.
• Der Griffknauf
Am Ende des Griffes befindet sich ein Griffknauf aus massivem Metall (z. B. Messing), mit dem sich im extremen Nahkampf wirkungsvolle Stöße austeilen lassen.
• Der Griff
Durch seine leicht nach unten gebogene Form liegt der Darn Dao sehr gut in der Hand und bewirkt eine optimale Kraftübertragung vom Arm und der Hand auf den Säbel.
• Der Handschutz
Beim Blockieren und Umleiten soll der Handschutz Verletzungen verhindern. Außerdem dient er als ein Mittel zum Festsetzen der gegnerischen Waffe.
• Der Säbelrücken
Da der Säbelrücken auf seiner ganzen Länge stumpf ist, besteht z. B. die Möglichkeit, bei einem Block den Säbel mit der unbewaffneten Hand durch Druck auf den Säbelrücken zu unterstützen.
• Die Schneide
Ihre höchste Schärfe weist die Schneide im vorderen Drittel auf. Mit dem unteren Bereich der Schneide werden die Blocktechniken, mit dem oberen die Kontertechniken durchgeführt.
• Die Spitze
Da der Säbel sich nur bedingt zum Stechen eignet, finden sich nur selten Säbel mit einer sehr feinen Spitze, in der Mehrzahl ist die Spitze zwar scharf, aber abgerundet gearbeitet.
Effektive Techniken
Mit den einzelnen Techniken wurde im Kampf bedingungslos versucht, so schnell wie möglich die größtmögliche Behinderung des Gegners zu verursachen. Hiebtechniken wurden bevorzugt gegen Körperregionen eingesetzt, bei denen Knochen dicht unter der Haut liegen, wie z. B. der Hals und Schlüsselbeinbereich.

Mit Schnitttechniken wurde versucht, möglichst große Muskelgebiete, wie z. B. die Brustmuskulatur, zu verletzen. Die seltenen Stichtechniken beschränkten sich meist auf große Körperflächen.
Aufgrund seiner dynamischen Techniken erfreut sich der Darn Dao auch in der heutigen Zeit noch sehr großer Beliebtheit und seine Formen werden in einer Vielzahl von Kung Fu Stilen praktiziert. Jeder dieser Stile versucht dem Darn Dao seine eigene besondere Betonung oder Technik zu geben, jedoch die fundamentalen Techniken und Anwendungsmöglichkeiten sind in allen Stilen gleichermaßen enthalten.
Der Säbel heute
Die geistige Einstellung zum Gebrauch des Darn Dao hat sich jedoch so stark verändert, dass heute kaum noch die kurzen und effektiven Techniken unterrichtet werden, sondern vielmehr die auffällig-übertriebenen.
Betrachtet man z. B. eine der modernen Wu Shu Formen, fallen sofort die weiten, wirbelnden Techniken auf, die zusätzlich noch mit einer atemberaubenden Akrobatik kombiniert sind. Jedoch haben diese Formen, die äußerlich perfekt wirken und den Darn Dao heutzutage so populär machen, kaum etwas mit den traditionellen Formen zu tun.
Die meisten Schüler geben sich damit zufrieden, Formen zu trainieren, ohne gleichzeitig Fähigkeiten für Anwendungsbereiche zu entwickeln. Um den Darn Dao jedoch effektiv einsetzen zu können, reicht es nach Ansicht der traditionellen Schulen nicht aus, einige Formen zu kennen, sondern erfordert es vielmehr eine intensive Auseinandersetzung des Geistes mit der rohen Gewalt, der Kunst mit der Materie.
Der Schüler muss mit seiner Waffe eine Einheit bilden, das bedeutet, daß der Darn Dao einen Teil des eigenen Körpers darstellt. Der Verlust der Waffe in einem Kampf würde unweigerlich zum Sieg des Gegners führen und den eigenen Tod oder zumindest eine schwere Verletzung nach sich ziehen.
Wie auch immer, will ein Schüler den wahren Charakter des Schwertes und des Säbels begreifen, muss er über die auffällig-übertriebenen Formen, die diese Waffen heutzutage so beliebt machen, hinausblicken und den Phoenix und Tiger unter den chinesischen Waffen erforschen.
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