Kein Geschichtsforscher muss bei Waterloo dabei gewesen sein, um über Napoleon schreiben zu können und eben sowenig muss man ein fanatischer Anhänger des Thaiboxens sein, um darüber zu berichten. Das Thaiboxen, und das bleibt bei allen bestehenden Kontroversen festzuhalten, ist nun einmal eine der traditionellen asiatischen Kampfdisziplinen schlechthin. Eine Form der kämpferischen Auseinandersetzung, welche sich in einem Land, in welchem der Buddhismus die Staatsreligion verkörpert, innerhalb der Kriegskünste entwickelte.
Muay Thai eine kämpferische Auseinandersetzung, welche u. a. aber den schonungslosen Einsatz gar von Ellenbogen und Knien gegen das Gesicht des Gegners erlaubt, darf man wohl nicht bedenkenlos als Sport bezeichnen, meinen die einen – Dies sei halt Kampfsport in härtester Form, sagen die anderen. Z. T. eingebunden in überlieferte Traditionen und religiöse Riten ist das Muay-Thai (die wohl härteste Wettkampfdisziplin überhaupt) für viele dennoch weniger Sport, als vielmehr Kampf in unmittelbarster Form. Aber auch mit dieser Definition des Muay-Thai sind viele Kampf experten nicht einverstanden.

Ihre Argumentation: Dies sei schon gar nicht in den Kampfdisziplinen, wo z. B. beim Kyokushinkai-Karate aber z. B. auch beim Taekwondo voller Kontakt mit den Beintechniken zum Kopf erlaubt ist, haltbar. Man fügt an, dass in den USA bekanntlich ja vor einiger Zeit ein Taekwondoka im Wettkampf tödlich getroffen wurde. Von der Nichtgefährdung oder gar der Achtung der Gesundheit könne hier, wie aber z. B. selbst beim Boxen (wo es bekanntlich ja schon mehrere Tote gegeben hat) also nicht die Rede sein. Trotzdem liefen all diese Disziplinen unter dem Begriff Kampfsport.
Was ist Sport und was nicht
Wenn man all dies hört, kommt man schon darüber ins Grübeln, wo die Standortbestimmung des Begriffes Kampfsport nun tatsächlich anzusiedeln ist. Die Diskussion, was ist noch Sport und was nicht mehr, betrifft aber nicht nur die Kampfdisziplinen schlechthin. 1973 z. B. verbrannte beim Großen Preis von Holland ein englischer Formel-I-Rennfahrer in seinem Wagen. Vergeblich versuchte sein Teamkollege einige Fahrer anzuhalten, damit man ihm helfe, seinen Freund zu befreien. Doch niemand hielt an und der Engländer verbrannte bei lebendigem Leib. Nikki Lauda darauf befragt, warum er nicht hielt, antwortete sinngemäß: „Ich werde dafür bezahlt zu fahren, nicht um zu parken. “

Nach diesem Vorfall war das Formel I derart in die Diskussion geraten, dass man ihm mancherorts die Bezeichnung „Sport“ nicht weiter zugestehen wollte. Heute ist diese Diskussion über das in Europa Fuß fassende Muay-Thai im Gange. Auch nach dem GP von Holland hat es noch etliche Todesfälle gegeben, und dennoch ist die Diskussion darüber, ob man das Formel I als Sport bezeichnen dürfe, weitgehend verebbt. Es scheint, als wolle der Zuschauer über alle Kontroversen hinweg das Spektakel und die z. T. gefährliche Auseinandersetzung mit dem Möglichen im Grenzbereich.
Muay-Thai über den Grenzen hinaus
Dies scheint auch einer der Gründe dafür zu sein, dass nunmehr das Muay-Thai bei uns in Europa eine solch starke Zuschauer Resonanz erhält. Schon jetzt sind die Veranstaltungen, z. B. in Holland und Frankreich teilweise restlos ausverkauft. Die große Zuschauer Resonanz ist auf viele Gründe zurückzuführen. Neben dem Spektakel liegt einer dieser Gründe sicherlich in der Faszination einer totalen kämpferischen Auseinandersetzung im und über den Grenzbereich hinaus. Gerade in Thailand selbst lässt sich beobachten, dass zudem auch noch eine starke Identifikation der Zuschauer mit der großen kämpferischen Substanz einiger Spitzen Fighter einhergeht. Dies dürfte in Europa nicht anders sein, wie das holländische Beispiel Rob Kamann zeigte, der einzig neben Fujiwara in Thailand siegreich blieb.
Gute Kämpfer im Muay-Thai überzeugen mit Technik

Wenn man erstmals in Thailand ein Original Muay-Thai-Turnier sieht, so fühlt man sich ob der dargebotenen Härte abgeschreckt. Doch bei alledem erwächst bei näherer Betrachtung ein nicht zu verleugnender Respekt. Es ist der Respekt vor jenen Kämpfern, welche sich einer totalen Auseinandersetzung stellen. Kämpfer, wie z. B. der Japaner Toshio Fujiwara, wussten zudem auch noch mit brillanten Techniken zu überzeugen. Auch in diesem Kampfdisziplinbereich sieht man, dass in der absoluten Spitzenklasse es nicht die Power-Männer und Draufgänger sind, welche sich letztlich durchsetzen, sondern jene Fighter, die zudem auch noch über die Spitzentechnik verfügen.
Anziehung der Gefahr und Risikobereitschaft
Somit – und das muss man sicherlich kritisch betrachten – ist es sicherlich auch das große Risiko der Kämpfer, welches einen Großteil der Zuschauer anlockt. Demgegenüber muss man, wie gesagt, schon kritisch sein, doch zeichnet sich diese Risikobereitschaft in beinahe allen Bereichen ab. So kann man z. B. zum Thema Ski-Abfahrtsrennen nachstehendes hören: „Wir wollen harte Rennen haben, damit wir Zuschauer haben, damit wir Geld verdienen“. „Von Entschärfen und Einebnen will man nichts mehr hören und sehen. Spitzensport ist Risiko, sonst kann sich ja gleich ins Büro setzen.“ – „Wir leben doch von den Stürzen. “ – „Als einmal bei einem Abfahrtsrennen aus der 1. Gruppe der 15 besten Fahrer 7 stürzten, gab es bei der nächsten Abfahrt so viele Zuschauer wie nie zuvor. “
Muay-Thai Tradition der Kampfdisziplin
Hier wie dort scheinen die Mechanismen also gleich zu arbeiten. Dennoch ist es nicht dasselbe, denn der Kampfdisziplin Muay-Thai liegt eine Tradition zu Grunde, welche von jeher bis an das Limit der Kämpfer ging – und das nicht erst seit Einführung der modernen Medien. Natürlich sollte man überall kritisch sein, doch vor diesen und anderen Hintergründen betrachtet, brauchen sich die Kampfdisziplinen, welche bis ans Limit gehen, nicht von den sogenannten etablierten Sportarten in die Ecke drücken zu lassen. Erst recht nicht, wenn diese Kampfdisziplinen auf überlieferte Traditionen gründen. Freundlichst Ihr