Elf Jahre trainierte Jean-Claude van Damme – damals hieß er noch van Vaerenberg -bei Claude Götz. Und im Laufe der Jahre hat sich zwischen den beiden Belgiern eine echte Männerfreundschaft entwickelt. Noch vor Jahren besuchten sie sich gegenseitig mindestens vier- bis fünfmal im Jahr, und mindestens einmal im Monat telefonieren sie miteinander. Regelmäßig Flog van Damme über den „großen Teich“, um bei Götz, der in Brüssel zusammen mit seinem Partner Willy Claes das Gold’s Gym betrieb, seine Techniken weiterhin zu verfeinern. „Nicht, dass Jean-Claude in Amerika nicht trainiert“, erklärt Götz. „Im Gegenteil, er hält sich täglich fit. Aber es schleichen sich doch hin und wieder einige Fehler ein. Manchmal werden die Techniken etwas verwässert. Sie arbeiteten dann daran, bis sie wieder messerscharf wurden.“
Götz sprach immer besonnen, man merkt ihm den Fachmann an. „Jean-Claude ist mindestens zwei Jahre zu früh gegangen. Wäre er etwas länger geblieben, hätte ich ihm alles beibringen können. Er wusste dieses, und deshalb kam er auch regelmäßig wieder.“

Van Damme schlug damals seinem Coach wiederholt vor, nach drüben zu kommen: Ein Haus mit Swimming-Pool und ein Wagen mit Chauffeur würden auf den Brüsseler warten. Die einzige Bedingung: Götz dürfte keinen andern mehr so wie van Damme ausbilden. Der Meister ist aber realistisch. „Das Filmgeschäft interessiert mich nicht wirklich. Was mich wirklich fasziniert, sind reelle Sachen!“ Götz hielt sich gut in Form: Er trainiert täglich. Und er wusste, dass ihn mit van Damme eine
Art Blutsbrüderschaft verband. Wenn der Star Probleme hatte, rief er Claude Götz an. „Wie jeder Künstler hatte auch Jean-Claude seine Ups und Downs,“ sprach Götz. „Hat er dann mal ein Tief, hängt er auch gleich am Telefon und bittete mich, rüberzukommen. Aber ich wusste, dass sich schon alles wieder gelegt haben kann, bis ich in Los Angeles bin. Jean-Claude würde mich dann sicher fragen, was ich denn in L. A. wollte.
Nicht gleich der große Durchbruch
Es gab auch nicht gleich auf Anhieb eine Van Damme-Story. Mit 18 flog Jean-Claude das erste Mal nach Amerika. Mit seinen Mannschaftskameraden hat er damals in den USA einige Karateturniere besucht und deshalb Land und Leute kennen- und liebengelernt. Mit einem Freund eröffnete er später ein Karate-Studio. Er stand aber recht schnell und enttäuscht wieder auf Zaventem (Belgiens internationalem Flughafen).

Mit 22 fuhr er ein zweites Mal in die USA, um Schauspieler zu werden. Und sein Jugendtraum erfüllte sich, allerdings dauerte es noch einige Zeit. Jean-Claude spielte zunächst „Hans Dampf in allen Gassen“. Er arbeitete als Türsteher, Liftboy, Pizzajunge usw. Zwischendurch klapperte er alle Filmstudios ab und hinterließ überall sein Foto und seine Adresse. Schließlich bekam er eine Rolle in dem Low-Budget-Film „No Retreat, no surrender“. Die nächste Chance erhielt er mit „Predator“, allerdings auch nicht eine sehr interessante Rolle, da er die ganze Zeit ein schweres Kostüm tragen musste. Der Durchbruch kam schließlich mit „Bloodsport“, ebenfalls ein Low-Budget-Film mit einem eher schwachen Szenario. Seltsamerweise wurde dieser Film sowohl in Amerika als auch in Asien ein Kassenschlager. Vor allem die Jugendlichen sahen in Van Damme einen Bruce Lee-Nachfolger, so dass nach diesem Film seine Erfolgskurve stetig nach oben ging.
Van Damme änderte sich nicht
Götz bezeichnet seinen Schüler als einen empfindlichen Jungen, der immer bescheiden geblieben ist. „Er hat zwar den „American Way of Life“ übernommen, aber er hat sich trotzdem nicht verändert. Man sollte nicht vergessen, dass er drüben wahnsinnig populär war. Er bekam täglich Hunderte Briefe und verdient mit seinen Filmen Millionen.“ Götz betrachtet es auch als selbstverständlich, dass ihn Van Damme nicht ins Rampenlicht stellt. „Ich habe schon öfters Angebote bekommen, habe aber alle stets abgelehnt. Van Damme ist der Schüler und er der Meister. Die Rollen wollte er nicht umdrehen.
Gemeinsames Training

Jedesmal, wenn van Damme aus den Staaten rüber kam, trainierten die beiden zusammen, sogar mehrmals täglich. „Unglaublich!“ meint Götz, „man darf nicht vergessen, dass er meistens nur einige Tage hier ist, und dann auch noch ziemlich müde durch die Zeitverschiebung war. Der Junge ist aber ein echter Profi!“
American Way of Life
Jean-Claude van Damme lebt wie ein echter Amerikaner. Für sich und seine Familie kaufte er ein luxuriöses Anwesen außerhalb von Los Angeles. Seine Eltern, denen er – so sagt Van Damme – viel zu verdanken hat, sind vor fünf Jahren zu ihm gezogen. Seine Muttersprache hat van Damme inzwischen so gut wie verlernt. Interviews machte er dann auch nur noch in Englisch. Wenn er nach Belgien kommt, findet er aber immer Zeit, sich mit seinen Freunden zu treffen. Dann fährt man zur Nordseeküste oder macht einen Stadtbummel zur „Grote Markt“.
Die „Muskeln aus Brüssel“ standen 1992 in der Cosmopolitan Hitliste der smarten Männer: „The Hunkiest Hunks of the 90s“ (Die stattlichsten Männer der 90er). In „The International Herald Tribüne“ erzählt Van Damme: „Ich liebe Gladys Portugues.“ Mit dem amerikanischen Bodybuilding- und Fitneßmodell ist van Damme verheiratet und hat zwei Kinder: Christopher und Bianca.
Vom Idioten zum Karatekämpfer
Van Damme, „vom Idioten zum Karatekämpfer“ aufgestiegen, wie er selbst sagt, wollte nicht nur Kampfkunstfilme drehen. Er wollte auch Filme über Liebe und Leidenschaft drehen. So stand z. B. eine ganz heiße Szene mit Kim Basinger im Drehbuch einer seiner Filme. Van Damme ist davon überzeugt, dass sich seine Leistungen als Schauspieler von Film zu Film verbessern. „Wie Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone oder Dolph Lundgren, möchte auch ich ernste Rollen spielen“, überlegte sich Van Damme. „Das muss einfach klappen, auch für einen Import aus Belgien. Schließlich ist Schwarzenegger auch nicht mehr als ein Kärntner Bauernsohn.“
Leinwandkarate
Götz war der Meinung, daß die schönsten Techniken nicht auf der Leinwand gezeigt werden könne. „Das liegt daran, dass die Bewegungen, damit sie im Film spektakulär wirken, weiträumig ausgeführt werden. Außerdem kann man nur aus bestimmten Winkeln aufnehmen.“

Insgesamt schien Claude Götz ein zufriedener Mensch zu sein. Mit van Damme vereinbarte er übrigens, keinen seiner Schüler mehr wie ihn auszubilden. Dennoch hatte Götz eine neue Wettkampfmannschaft auf die Beine gestellt. Welche erfolgreich bei einem Groninger Semikontaktturnier startete. „Jeder wollte wissen, was ich heute so treibe“, schmunzelt Götz, „das nervte mich ungeheuer. Bin ich denn schon so alt?“ Sein Team trainierte Götz auf eine recht spartanische Art. Darüber hinaus versucht er, seinen Schülern auch eine gewisse Bildung mitzugeben. Regelmäßig testet er das Schulwissen seiner Sprößlinge und berücksichtigte bei der Aufstellung seiner Mannschaft auch die Leistungen in der Schule. Götz wollte, dass seine Schüler beide Landessprachen beherrschen. Deshalb sprach er mit ihnen sowohl flämisch als auch französisch. Götz fordert von seinen Leuten ungeheure Disziplin. Er kontrollierte, wie spät sie zu Bett gehen und was und wie sie essen. Auf richtige Ernährung legte er, als gelernter Ernährungsfachmann, den größten Wert. „Manchmal fragen mich die Eltern, wie ich die Erfolge mit ihren Kindern überhaupt schaffe“, sagt Götz, „ihr habt zwei Kinder, antworte ich‘ dann, ich habe ein paar hundert.“
Kein Kino

Ins Kino ging Götz selten. In dieser Beziehung muss er van Damme immer, wenn dieser danach fragt, enttäuschen. Hin und wieder namm Van Damme seinen Trainer mit. So wollten sie damals auch gemütlich und in Ruhe im Brüsseler Kinopolis den Film „Universal Soldiers“ genießen. So hofften sie zumindest. Aber als nach „The End“ im Saal das Licht wieder anging, bemerkten die Zuschauer den Star des Films. So wurde aus dem Brüsseler Kino Klein-Hollywood.
Todesschrecken
Damals bekam Van Dammes amerikanischer Manager bei einem Besuch in Belgien denn Schreck seines Lebens. Van Damme und Götz probierten mal wieder einige Kombinationen aus – allerdings auf offener Straße. Dabei verlor Van Damme das Gleichgewicht und fiel vor die Räder eines heranbrausenden Autos, das zum Glück gerade noch rechtzeitig bremsen konnte. Der Manager erschreckte sich dabei aber trotzdem fast zu Tode und wurde aschgrau im Gesicht. „Er sah seinen Star schon mit gebrochenen Knochen im Krankenhaus. Oder schlimmer noch – auf dem Friedhof“, lachte Götz. „Er brauchte die ganze Nacht, um sich von dem Schrecken zu erholen.“
Keine Idolisierung
Claude Götz betrachtete den Erfolg seines Schülers aus der Distanz. Er bewundert Van Damme, sicher, und findet seine filmischen Erfolge auch toll, aber bei der Idolisierung seines Schülers macht er nicht mit. Finanzielle Vorteile erhielt er durch Van Damme nie. Alles, „was Götz erreicht hat, hat er durch harte Arbeit selbst geschafft. Weißt du überhaupt, daß derzeit sechs meiner Schüler in Hollywood filmen?“ fragt er damals. „Jean-Claude ist natürlich der berühmteste!“
Gold’s Gym
Der Macher von „The Muscles from Brussels“ hält von seinem Gold’s Gym aus alles unter Kontrolle. Das Gold’s Gym mit ein paar tausend Mitgliedern, darunter Angehörige der königlichen Familie, ist wohl eines der größten Sportstudios Belgiens: 25 fest Angestellte, eine Super-Sauna, eine eigene Disco und immense Trainingsräume gehören zur Ausstattung dieses Nobelstudios, welche in Brüssels bester Gegend beheimatet waren. Obwohl die Wände mit vergilbten Zeitungsausschnitten vergangener Tage dekoriert waren, drehte sich im Gold’s Gym alles um das Fitnessbusiness von heute. „Für die Erfolge meiner neuen Mannschaft ist aber an meinen Wänden noch Platz genug“, strahlt Götz damals.