Eine Kampfkunst, die in Japan nur von der Polizei ausgeübt werden darf. Taiho-Jutsu – was ist das? Zugegeben – viel wissen bis zu diesem Zeitpunkt selbst nichts darüber. Deshalb wollte wir uns diese Demonstration natürlich auf gar keinen Fall entgehen lassen.
Nach einer etwa fünfzehn Minuten dauernden Begrüßungsrede eines hohen Polizeioffiziers – die allerdings, von Lautstärke und Gestik her, mehr einer drohenden Belehrung gleichkam – begann die Demonstration mit der Vorführung der 7 KENDO-Partner-Katas, im schwarzen Kimono, mit scharfem Schwert. Anschließend AIKIDO der Shioda-Ryu, gekonnt vorgeführt von einer sehr resoluten, doch trotzdem nicht weniger feminin wirkenden Politessenriege. Weiter ging es mit Kyokushinkai-, Shotokan-KARATE-DO und JUDO (Foto), wo neben Kata-Vorführungen auch sehenswerte Kämpfe ausgetragen wurden.
Zweikampf im Vollzugsdienst

Den Abschluss der zwei Stunden dauernden Mammutdemonstration, bildete Taiho-Jutsu, das kompromisslose Allround-Nahkampfsystem der japanischen Polizei. Diese Zweikampfart wird nur von Männern ausgeübt und ist ausschließlich dem Vollzugsdienst Vorbehalten. „Taiho” bedeutet soviel wie festnehmen, festlegen, und „Jutsu” bedeutet Kunst. Es werden Helme mit Schutzgitter (Men) getragen, ähnlich wie beim Kendo, nur dass diese seitlich etwas mehr gepolstert sind; dann der Tiefschutz, die Handschuhe, Sportschuhe und eine Schutzweste, gefertigt aus lackierten Bambusstreifen (Do). Die Waffen – zwei gepolsterte Stöcke, ein langer (Jo), ein kurzer (Keibo) oder – der eigene Körper. Die festzunehmende Person wehrt sich mit Stock oder Messer bzw. nur mit den körpereigenen Waffen. Außer durch das Men-Gitter spucken ist so ziemlich alles erlaubt! Ob Stockschläge und Fußtritte in den Unterleib oder Knie-, Ellbogen-und Kopfstöße, Werfen, Hebeln, Würgen – angebracht ist, was den Gegner kampfunfähig macht, ihn zur sofortigen Aufgabe zwingt. Ein Kampf dauerte ca. 15 sec.
Eine andere Art des Taiho-Jutsu ist der Kampf ohne Schutzausrüstung, nur mit den beiden gepolsterten kurzen Stöcken (Keibo). Die Rivalen bewegen sich auf der Matte langsam im Kreis, um urplötzlich mit einem markerschütternden Kampfschreien aufeinander loszugehen. Eine Kampfaktion dauerte hier nie länger als etwa 5 Sekunden.
Taiho-Jutsu Techniken

Alle Techniken werden realistisch mit aller Kraft und vollem Körperkontakt ausgeführt. Selbst wenn der Gegner bereits am Boden liegt, -aber nicht sofort aufgibt – prasseln noch Stockschläge auf ihn nieder. Die wachsamen Augen der vier Schiedsrichter beobachten dabei das Kampfgeschehen sehr genau, um anschließend den Sieger aufzurufen. Dem Selbstverteidigungsprinzip entsprechend werden einfache Blocks bzw. Schläge gegen die Schlüsselbein-Region oder gegen Hand- und Kniegelenke höher bewertet, als direkte Schläge zum Kopf oder in den Unterleib.
Den Angreifer kampfunfähig machen, ihn zur sofortigen Aufgabe zwingen, ohne ihm dabei aber mehr als unbedingt nötig, Schaden zufügen – das ist Taiho-Jutsu, eine knallharte Kombination der KENDO- und JU-JUT-SU-Technik. Während in der westlichen Welt mehr die Schusswaffe dominiert, benutzt die japanische Polizei zur Selbstverteidigung an erster Stelle die FAUST und den STOCK. Die Schusswaffe wird mehr als befohlene Notwendigkeit gesehen und so gut wie nie benutzt. In einem Lederholster – zu dessen Öffnen man schätzungsweise eine halbe Minute benötigt – wird der Ballermann (um der Korrosion vorzubeugen) sicher aufbewahrt. Die offenen Combat-Schnellziehholster, wie sie bei unseren Sicherheits- und Vollzugsbeamten gebräuchlich sind, werden in Japan von der Öffentlichkeit – und der Polizei selbst – verpönt. Sie wieder sprechen von Grund auf der Mentalität des Japaners. Man hat nicht die Absicht, seinem Mitmenschen mit einer offen getragenen, tödlichen Waffe drohend gegenüberzutreten und ihn somit allein schon in seinen Gefühlen zu verletzen.
Das Training in Kendo, Judo oder Taiho-Jutsu ist deshalb Pflicht (!) für jeden japanischen Polizeibeamten. Jeder (!) Polizist erreicht während seiner Ausbildung mindestens den 1. Dan in einer dieser Kampfkünste, und auch nach der Grundausbildung ist die waffenlose Selbstverteidigung fester Bestandteil des Dienstplanes. Während einmal im Monat das Schießkino besucht wird, müssen wöchentlich zwei Stunden Training wahlweise in Taiho-Jutsu, Judo oder Kendo absolviert werden. Jede größere Polizeistation besitzt hierfür ihr eigenes Dojo (!) und -ihren eigenen Lehrer, der allein für die Nahkampfausbildung der Beamten zuständig ist. Wo findet man seinesgleichen in der westlichen Welt? Eine großkalibrige Pistole tut’s auch: geht schneller, ist wirkungsvoller, spart Zeit und Personal und strengt vor allem nicht so sehr an. . .
Wie lange noch wird es dauern, bis sich das japanische Volk auch hier den aufdringlichen Gewohnheiten der westlichen Welt beugt?