Die Geschichte des Nunchaku

Vor 380 Jahren fing alles an. Ganz genau weiß es keiner. Vermutlich aber war es der einfache – aber durch seine Länge schwer zu koordinierende – Dreschflegel der Bauern, aus dem die Inselbewohner von Okinawa eine ihrer wirksamsten Waffen entwickelten: Zwei der Länge nach, zu damaligen Zeiten mit Rosshaar und Reisstroh zusammengebundene Stöcke, die kürzer waren, als die des Dreschflegels. Eine Art Holzpeitsche, die mit ungeheurer Wucht und Schnelligkeit bedient werden konnte – das NUN-CHAKU.

Später wurden statt der Holzstäbe solche aus Metall, Hartgummi oder Plastik verwendet, und an Stelle von Roßhaar und Reisstroh wurden Perlonschnüre und Stahlketten bevorzugt. In seiner grundsätzlichen Form und Anwendung aber blieb das Nunchaku über die gesamte Zeit fast unverändert.

Auch die anderen Waffen des Kobudo existieren heute noch fast genauso wie damals vor etwa 380 Jahren, als die Japaner Okinawa besetzten und den Inselbewohnern das Tragen von Waffen verboten – dieses stolze und unbeugsame Inselvolk aber, das (sei es, nur um sich gegen Plünderer zur Wehr zu setzen) ideenreich vielfältige, waffenähnliche Instrumente aus den verschiedenen bäuerlichen Gerätschaften entwickelte, die sich schon damals und noch heute großer Beliebtheit erfreuen.

Lee Nunchaku

All diese Geräte konnten von der Landbevölkerung unbehelligt mit herumgetragen werden, denn diese mussten von den japanischen Besetzern als Arbeitsgeräte angesehen und akzeptiert werden. So konnte auch der Siegeszug der Nunchaku-Hölzer als Verteidigungs-, Geschicklichkeits- und Sportgerät beginnen.

Bruce Lees Nunchaku in Aktion

Anfang bis Mitte der Siebziger Jahre liefen dann in den Kinos der Welt die ersten Bruce-Lee-Filme (z. B. Enter the Dragon, Way of the Dragon, Fist of Fury und andere), in denen der Altmeister und König des Kung-Fu, Bruce Lee, erstmals mit dem Nunchaku hantierte und kämpfte. Viele hunderttausend Zuschauer auf der ganzen Welt, darunter auch zahlreiche Budo-Kampfsportler, waren fasziniert von der Handhabung und Wirksamkeit dieser neuen Verteidigungswaffe.

Nunchaku Bruce

Zu dieser Zeit wurden die ersten Nunchakus von den Bruce-Lee-Fans nachgebaut. Sie bestanden wie die Bruce-Lee-Nunchakus aus zwei schweren Harthölzern, die mit einer Metallkette miteinander verbunden waren. Auch nach Deutschland kamen direkt aus Asien oder über den Budo-Fachhandel viele tausend Fernost-Nunchakus, und der erste Nunchaku-Boom konnte beginnen. Doch wie so oft im Leben kam auch das Nunchaku in die Hände von sogenannten Halbstarken und Rowdys, die damit keine sportlichen Übungen vollführten, sondern mit dem Nunchaku andere Menschen auf der Straße bedrohten.

So hatten einige unliebsame Fälle zur Folge, daß das Nunchaku Mitte 1976 aufgrund des Deutschen Waffengesetzes verboten wurde (und zwar die Herstellung, die Einfuhr, der Verkauf und das Tragen). Wer danach noch mit einem Nunchaku trainierte oder sich gar noch öffentlich damit sehen ließ, musste mit empfindlichen Strafen rechnen. Der Enthusiasmus der Bruce-Lee-Fans und der erste Nunchaku-Boom wurde so jäh unterbrochen.

Das Soft-Safety-Nunchaku

Neue Nunchaku-Renaissance nach 13 Jahren. Es vergingen 13 Jahre der „Nunchaku-Ruhe“ und die Zahl der Bruce-Lee-Anhänger wurde von Jahr zu Jahr geringer. Es fehlte das „Zugpferd“ Nunchaku.

safety nunchaku

Diese Zeit ließ Markus Bär, ein Budo-Fachhändler und Nunchaku-Fan aus Bonn, nicht ungenutzt verstreichen. Er entwickelte ein sogenanntes „Soft-Safety-Sicherheits-Nunchaku“, ein Gerät, mit dem niemand verletzt oder bedroht und das somit nicht als Waffe benutzt werden kann. Das nur für Einzelübungen oder zum sportlichen Wettstreit unter der Aufsicht von Kampfrichtern zu gebrauchende Sport-Nunchaku bietet dabei zwei wesentliche Sicherheitskomponenten: Einmal die schaumstoffummantelten Griffe, zum anderen die aus Einzelsegmenten bestehenden biegsamen Innenstäbe.

Fast fünf Jahre brauchte Markus Bär für die Entwicklung dieses neuen – und da es nicht unter das Waffengesetz fällt, was für die deutschen Nunchaku-Anhänger besonders wichtig ist – nicht verbotenen „Soft-Safety-Sicherheits-Nunchakus“. Ständiges Zeichnen, Recherchieren, Ausprobieren von Techniken und immer von neuem wieder Korrekturen waren an der Tagesordnung. Da bedurfte es schon eines Riesenengagements für das Nunchaku und einer gehörigen Portion Stehvermögen, um bei der Stange, bzw. besser beim Nunchaku zu bleiben und sich mit der zeitraubenden Arbeit, bis hin zu den Details der patentamtlichen Eintragung und behördlichen Zulassung, auseinanderzusetzen.

Markus Bär stellte sich dieser Aufgabe und entwickelte das Gerät, mit dem er und andere Nunchaku-Anhänger in Deutschland nun wieder ihren Sport betreiben konnten, so weit, dass das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt inzwischen modellgleiche Soft-Safety-Sicherheits-Nunchakus beurteilt und sie einvernehmlich als nicht verboten eingestuft haben.

Da das neue Sicherheits-Nunchaku aus Schaumstoff keine Waffeneigenschaft besitzt und auch keinen verbotenen Gegenstand darstellt, kann es von jedermann frei erworben und auch „geführt“ werden.
Das war die Voraussetzung und eine neue Chance für einen Nunchaku-Boom in Deutschland.

Die WANO

Sport Nunchaku

Auch die Sport-Nunchaku-Mitglieder in Deutschland brauchen einen Verband. Es war ebenfalls Markus Bär, der sich mit den Gründern der „World-Amateur-Nunchaku-Organisation“ (WANO) in Paris in Verbindung setzte. So führte der langjährige Kontakt mit dem mehrfachen Französischen Meister und Nunchaku-Weltmeister Pascal Verhille zur Gründung der WANO Deutschland.

Pascal Verhille hatte schon vor einigen Jahren seine Nunchakus mit einer bestimmten Schaumstoff-Hülle versehen, damit sportliche Wettkämpfe ausgetragen werden konnten.

Mit diesen trainierten und kämpften die WANO-Mitglieder auf der ganzen Welt. Auch das von Pascal Verhille entwickelte neue Kampfsystem breitete sich von Frankreich blitzartig über viele Länder Europas aus. In Spanien, Italien, Belgien, Holland und England fanden alljährlich Sport-Nunchaku- (Full-Nunch-) Wettkämpfe statt. In jedem dieser Länder wurden außerdem regelmäßige Seminare und Offene Meisterschaften ausgetragen.

Mit dem damals neuen „Soft-Safety-Nunchaku“ veranstaltete nun auch die WANO Deutschland seit Anfang Februar 1990 die ersten Seminare unter der Leitung von Weltmeister Pascal Verhille.

Die Full-Nunch-Wettkämpfe

Pascal Verhille entwickelte zwei unterschiedliche Arten des Nunchaku-Wettstreites: Den Full-Nunch-Zweikampf und die Artistik-Show. Beim Full-Nunch-Wettkampf werden Wirbel, Schwünge und Schläge mit dem Soft-Safety-Nunchaku ausgetragen und auch vom Kampfrichter bewertet. Verletzungsgefahren bestehen nicht, denn beim Wettkampf Mann gegen Mann sind Kopf- und Hand-Schützer vorgeschrieben. Nach Belieben können jedoch auch Tief- und Schienbein-Schützer zusätzlich getragen werden. Außerdem gibt es für den offiziellen WANO-Kopfschutz ein bruchsicheres Visier, das ebenfalls im Handel erhältlich sein war.

Full-Nunch-Wettkämpfe

Trotz all dieser Sicherheits-Faktoren steckt noch jede Menge Aktion und Kampfgeist in den Full-Nunch-Wettkämpfen. Vor allem darf es den Wettkämpfern nicht an Strategie, Geschicklichkeit und Beherrschung fehlen. Denn nach jedem kontrolliert ausgeteilten Schlag wird das Nunchaku wieder aufgefangen, d. h. wieder in beide Hände zur Ausgangsposition genommen. Sonst erfolgt keine Bewertung.

Die Punktzahl für die Treffer setzt sich dabei wie folgt zusammen: Drei Punkte gibt es für einen Treffer auf den Kopfschutz, zwei Punkte für einen Bauchtreffer und je einen Punkt bei Treffern auf Arme oder Beine. Es versteht sich von selbst, dass diese Wettkämpfe mit den früheren starren Holz-Nunchakus nicht denkbar wären.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Full-Nunch-Wettkämpfer über eine gute Portion Mut, über Kondition und über gutes Koordinationsvermögen in Verbindung mit der perfekten Beherrschung des Sport-Nunchakus verfügen sollte. Diese Eigenschaften bringen jedoch die meisten Budo-Kampfsportler schon mit. Zusätzliche Eigenschaften und Fähigkeiten konnten z. B. mit Hilfe der WANO in Seminaren und Lehrgängen erlernt werden. Diese Entwicklung schliesste nicht aus, dass in naher Zukunft auch neue Sport-Nunchaku-Clubs oder Abteilungen in bestehenden Vereinen gegründet werden.

Die WANO-Weltmeisterschaft fand übrigens Mitte Mai 1990 in Paris statt. Bei diesem Spektakel waren insgesamt Preisgelder von rund 20000,- ausgeschrieben.

Die Nunchaku-Artistik-Show

Hier heißt die Devise: Show-Darbietungen bis ins Detail mit kampfsportlichen und artistischen Elementen und musikalischer Untermalung zu präsentieren.

Um dieses neue spektakuläre Geschehen sportlich zu bewerten, hat Pascal Verhille ein System entwickelt, das seinesgleichen sucht. Die Artistik-Show stützt sich bei der Bewertung auf verschiedene Kriterien, die in zwei Hauptgruppen geordnet sind. In jeder Hauptgruppe kann man maximal 10 Punkte erreichen. Insgesamt ist also eine Höchstpunktzahl von 20 möglich. Diese setzen sich wie folgt zusammen:

Die technische Benotung:
Diese setzt sich zusammen aus dem Schwierigkeitsgrad der Übung (3 Punkte), aus der Schnelligkeit (2 Punkte), der Kontrolle und Beherrschung des Nunchaku (3 Punkte) und den dargebotenen kampfsportlichen Einlagen (2 Punkte). Insgesamt 10 Punkte.

Die artistische Benotung:
Diese setzt sich zusammen aus der Präsentation des Teilnehmenden und der Ordentlichkeit seines Auftretens (2 Punkte), aus der Choreographie in Form von dynamischer Arbeit zur Begleitmusik (3 Punkte), der Musik mit ihrem variierenden Rhythmus (2 Punkte) und der Zusammenarbeit bzw. Harmonie zwischen Körper und Nunchaku (3 Punkte). Insgesamt 10 Punkte.
Dieses Reglement ist die Garantie für eine einzigartige und spektakulär-ästhetische Artistik-Show-Darbietung der neuen Kampfsport-Generation.

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