Pfeil und Bogen sind so alt wie Japan selbst. Doch nicht nur in Japan, überall in der Welt waren Pfeil und Bogen, Jagd- und Kriegsgerät zugleich. Der Pfeil war neben dem Speer eine Waffe, die aus der Ferne töten konnte, und daher eine ideale Kriegs- und Jagdwaffe.
Da neben dem Schwert der Bogen die am meisten benutzte Waffe des Samurai war, ist es nicht verwunderlich, dass der Umgang mit dieser Waffe bis zur Perfektion geübt wurde. Beim Bogenschießen allgemein existieren die unterschiedlichsten Formen des Schießens. Eine Form jedoch erfordert eine ganz besondere Körperbeherrschung: Yabusame, das Bogenschießen zu Pferde.
Das Reiten war im alten Japan durchwegs kaum entwickelt, lediglich die Samurai hatten für ihre kriegerischen Zwecke eine Reitkunst (Ba-jutsu) entwickelt. Japan als kleines Inselreich, zu 80% mit Wald und Bergen bedeckt, bietet wahrlich nicht die besten Voraussetzungen für eine solche Kunst. Die Insel selbst war ohnehin kein Pferdeland und Pferdezucht wurde nur an wenigen Orten mühsam betrieben. Zumal das aus Korea eingewanderte japanische Pferd im allgemeinen klein, zart und dessen Hinterteil schwach entwickelt war.
Geheimnisse der Reitkunst
Um so verwunderlicher ist es, dass die Japaner es in dieser Kunst doch zu erstaunlichen Leistungen gebracht haben. Denkt man an die Prärie-Indianer Nordamerikas oder die Reitervölker der Mongolen oder Tartaren, die im Sattel groß geworden sind, so verwundert dies noch mehr. Yabusame vereinigt die Geheimnisse der Reitkunst und die des Bogenschießens miteinander.

Kaum etwas ist schwieriger, als von einem Pferderücken in vollem Galopp mit Pfeil und Bogen ein kleines Ziel zu treffen. Man muß ein sehr guter Reiter und ebenso guter Bogenschütze sein, um dies bewältigen zu können.
Im 10. Jahrhundert wurde Yabusame zum ersten Mal unter Fujiwara Hide-sato erwähnt und gelangte im 12. Jahrhundert durch ein kaiserliches Dekret zu besonderer Blüte. In Form eines Wettkampfes wurde Yabusame als Ausdruck des Dankes, wenn einem Shogun oder einem anderen hohen Würdenträger ein Sohn geboren wurde, durchgeführt, um von den Kami (Göttern) eine glückliche Entbindung zu erwirken. Im 13. Jahrhundert wurde diese Schießform besonders durch den Shogun Minamoto Yoritomo gefördert.
Hachiman-Schrein
Bis zum heutigen Tage werden im September im Hachiman-Schrein (Hachiman = shintoistischer Kriegsgott) in Kamakura, Wettkämpfe im Yabusame ausgetragen. Diese Wettkämpfe ziehen jedes mal hunderte von Zuschauern an. Viele von ihnen werden durch den Anblick der in traditionelle Kostüme gekleideten Reiter eindrucksvoll um viele hundert Jahre in die japanische Geschichte zurückversetzt. Die Kämpfer werden wohl ähnlich empfinden. Aufgrund der besonderen materiellen und räumlichen Verhältnisse bleibt Yabusame jedoch nur einigen wenigen Vorbehalten.

Bei den Wettkämpfen tragen die Schützen ein dem Jagdkostüm der Kamakura-Zeit entsprechendes Kostüm. Nachdem das Startzeichen durch einen roten Fächer gegeben wurde, muss eine 256 m lange Reitbahn in vollem Galopp zurückgelegt werden. Im rechten Winkel zu dieser Bahn hängen etwa in 3-5 m Entfernung und in ca. 2 m Höhe drei Zielscheiben, die es zu treffen gilt. Jedoch kommt es nicht darauf an, „nur“ zu treffen, sondern die Zielscheiben, es handelt sich hierbei um Holzbretter mit einer Kantenlänge von 30 x 30 cm und einer Dicke von 1 cm, müssen durch den Aufprall des Pfeiles gespalten werden. Die Zielscheiben stehen in Abständen von 37 m, 115 m und 188 m vom Startpunkt entfernt. Die Scheiben müssen jeweils mit dem ersten Pfeil getroffen werden. Ohne eine vorschriftsmäßige Reithaltung und eine gut ausgeprägte Oberschenkelmuskulatur kann der Schütze sich nicht auf den Schuss und das 188 m vom Startpunkt entfernt. Die Scheiben müssen jeweils mit dem ersten Pfeil getroffen werden. Ohne eine vorschriftsmäßige Reithaltung und eine gut ausgeprägte Oberschenkelmuskulatur kann der Schütze sich nicht auf den Schuss und das Ziel konzentrieren. Nicht selten stürzen Anfänger im vollen Galopp zu Boden.
Ogasa-wara-ryu und die Takeda-ryu
Die beiden bedeutendsten Yabusame-Schulen Japans sind die „Ogasa-wara-ryu“ und die „Takeda-ryu“. Eine andere Art des Yabusame besteht darin, einen während des Reitens in die Luft geworfenen Fächer mit dem ersten Pfeil zu treffen. Oder aber man schoss vom galoppierenden Pferd aus einen Pfeil auf einen auf einer Bambusstange befestigten Hut. Später diente als Ziel ein mit weißem Leder verkleidetes Holzstück. Die Pfeilbahn lag zur linken Hand und senkrecht zur Reitbahn; an ihrem Ende war das Ziel aufgestellt. Sieger war, wer bei zehnmaligem Ritt die meisten Treffer erzielte. Diese Art des berittenen Bogenschießens nennt man Kasagake.
Nasu-no-Munetaka, tätigte den legendärsten Bogenschuss der japan. Geschichte. Er war ein berühmter Bogenschütze und Krieger unter Mina-moto Yoshitsune. Der Legende nach übergab der Oberpriester des Tempels Itsukushima nach der Einnahme von Kyoto (1182) dem Kindkaiser An-toku einen der 30 Fächer, die der Kaiser Takakura zwei Jahre vorher dem Tempel gestiftet hatte. Dieser Fächer sollte die Eigenschaft besitzen, feindliche Pfeile auf den Schützen zurückprallen zu lassen. Die Taira befestigten diesen Fächer am Bug ihres Flaggschiffes und forderten im Frühjahr 1185 die Minamoto heraus, ihre Schießkünste zu versuchen. Munetaka nahm die Herausforderung an, ritt in vollem Galopp so weit er konnte ins Wasser, schoss kaltblütig seinen Pfeil ab und zerschmetterte den Fächer. Obwohl die Distanz sehr groß war. Dieser Pfeilschuss machte einen niederschmetternden Eindruck auf die Taira. Sie wurden dann auch später in der Seeschlacht von Dan-noura von den Minamoto besiegt.
Wer die Gelegenheit haben sollte, im Herbst einmal nach Japan zu kommen, der sollte keinesfalls das beeindruckende Yabusame-Fest in Kamakura versäumen, denn Yabusame das ist auch heute noch gelebte Tradition in Gegenwart.